«Citizen Kane», für viele Cineasten der beste Film aller Zeiten, kam vor knapp 80 Jahren in die Kinos.
Der Schwarz-Weiß-Streifen von Hollywoods jungem Wunderkind Orson Welles handelte von dem fiktiven Medienmogul Charles Kane, in dem der damals mächtige Zeitungsmagnat William Randolph Hearst leicht zu erkennen war. Der Film holte neun Oscar-Nominierungen, darunter für Welles als besten Regisseur und Hauptdarsteller. Am Ende gab es nur eine Trophäe für das Drehbuch, die sich Welles und Herman J. Mankiewicz, ein alkoholkranker, aber gefeierter Drehbuchautor, teilen mussten.
Mit «Mank» rückt der Regisseur David Fincher («Fight Club», «The Social Network», «Gone Girl») jetzt die Entstehung des Skripts vor dem Hintergrund von Hollywoods Eitelkeiten, Intrigen und ausschweifenden Partys ins Licht. Ein Meisterwerk in Schwarz-Weiß, im Stil der 30er Jahre, mit großen Filmkulissen und einem Star-Ensemble, von Netflix produziert.
Nicht Welles, sondern Mank, so der Spitzname des Schreibgenies Mankiewicz, steht im Mittelpunkt. Die perfekte Rolle für Gary Oldman, der 2018 als Winston Churchill in «Die dunkelste Stunde» den Oscar als bester Hauptdarsteller gewann. Der Brite spielt Mankiewicz mit lässigem Charme, provozierendem Witz und einer Vorliebe für Hochprozentiges.
In «Mank» ist der Filmheld nach einem Autounfall ans Bett gefesselt. Eine junge Sekretärin (Lily Collins) soll seinen Wortschwall niedertippen und ihn vom Trinken abhalten. Welles (Tom Burke) taucht nur in wenigen Szenen auf und macht Druck, dass das Skript schnell fertig wird.
In Flashbacks führt der Film von den Schreibszenen 1940 in Hollywoods 30er Jahre zurück. Auf dem legendären Hearst-Schloss im kalifornischen San Simeon tummeln sich Stars wie Greta Garbo, Bette Davis und Charlie Chaplin. Der ergraute Hearst (Charles Dance) hat mit dem Starlet Marion Davies ein langjähriges Verhältnis. Amanda Seyfried («Mamma Mia!») brilliert mit blonder Lockenfrisur und frechem Charme in der Rolle der Geliebten.
Auch Mankiewicz war häufig Gast bei den legendären Hearst-Dinner-Partys, doch der liberale Schreiber überwirft sich irgendwann mit dem Verleger, der mit seiner Klatschpresse in Politik und Wirtschaft Einfluss nimmt. In «Citizen Kane» zeichnet Mank das Porträt eines machtbesessenen Medienmannes, der am Ende einsam und verbittert auf seinem Anwesen stirbt.
Doch wer dachte sich das Skript federführend aus? In Hollywood gibt es einen anhaltenden Streit – wie damals zwischen Welles und Mankiewicz – wer von beiden mehr zu sagen hatte. Fincher schlägt sich dabei auf Manks Seite. Das ist der Regisseur wohl seinem 2003 gestorbenen Vater, dem Reporter und Schriftsteller Jack Fincher, schuldig, der in den 1990er Jahren das Drehbuch für «Mank» geschrieben hatte.
Der Film geht über eine schwelgerische Kino-Hommage an das alte Hollywood weit hinaus. Fincher führt auch die Machthierarchien in der damals weißen Männerwelt der Traumfabrik vor Augen. Arliss Howard spielt den einflussreichen Studioboss Louis B. Mayer, der 1934 bei den Gouverneurswahlen in Kalifornien eine Schmutzkampagne gegen den linken Kandidaten, den Schriftsteller Upton Sinclair, unterstützte. Er ließ Spots mit Schauspielern produzieren, die als besorgte Wähler auftraten, ganz im Stil von Fake News.
Der Kinostart von «Citizen Kane» stand 1941 bis zuletzt auf der Kippe. Hearst versuchte mit allen Mitteln, die Aufführung des Films zu verhindern. Er blockierte Werbung in seinen Zeitungen und spannte Freunde in der Filmindustrie ein. An den Kinokassen floppte der Film zunächst, doch mit neun Oscar-Nominierungen war ihm der spätere Kultstatus sicher.
Hollywood-Kritiker räumen «Mank» gute Oscar-Chancen ein. Fincher, Oldman und Seyfried werden als mögliche Anwärter gehandelt, aber auch Kamera, Ausstattung und Musik. Den einzigen Oscar-Gewinn von «Citizen Kane» könnte «Mank» leicht übertreffen.