Die Berliner Modewoche zieht diesen Winter ins Internet. Die großen Schauen werden online übertragen. Das ganze Tamtam mit eingeflogenen Prominenten fällt wegen der Pandemie aus. Aber zuschauen kann dafür jeder von zuhause – dann auch in Jogginghose. Oder mit Handtuchturban auf dem Kopf.
Eröffnet wird der große Laufsteg am Montagabend (18.00 Uhr) vom belgischen Designer Tom Van Der Borght. Normalerweise sitzen Hunderte Zuschauer auf den Bänken. Diesmal gelten Sicherheitsvorkehrungen. Kein Publikum, dafür Corona-Tests für Mitarbeiter.
Der große Laufsteg liegt im alten Kraftwerk. Die Videos werden dann online gezeigt. «Davon erhoffen wir uns einen Zuwachs an digitalen Zuschauern aus der Branche, aber auch aus der modeinteressierten Öffentlichkeit», teilt Marcus Kurz vom Veranstalter Nowadays mit.
Für den Designer Van Der Borght ist das Ganze nach eigenen Angaben ein interessantes Format. Er plant eine Mischung aus Kunstperformance und Modenschau. «Ich glaube, ich habe schon mehr Modenschauen online gesehen als in echt», sagte der 42-Jährige der Deutschen Presse-Agentur. Das Gute sei: Man könne im Video zurückspulen, wenn einem etwas gut gefallen habe.
Von Montag bis Mittwoch sind also Schauen bei der Mercedes-Benz Fashion Week im Kraftwerk angesetzt, etwa von Marc Cain, Rebekka Ruétz und Kilian Kerner. Auch beim Berliner Salon zeigen sich Labels online, Designerin Anja Gockel will aus dem Hotel Adlon senden. Geplant sind bis Sonntag noch einige andere digitale Veranstaltungen.
Einige bekannte Namen allerdings fehlen – etwa der der Designerin Marina Hoermanseder. Als Digitalstaatsministerin Dorothee Bär (CSU) mal eines ihrer Kleidungsstücke trug, sorgte das für Gespräche.
Dass Hoermanseder diesmal nicht mit einer knalligen Show dabei ist, liege wesentlich an der Pandemie. Wer ihre Shows kenne, wisse, was sie für eine Vorstellung von einem solchen Event habe. Aber 800 Showgäste und eine Aftershowparty mit 1500 Gästen seien derzeit «aus gutem Grund» nicht möglich, lässt sie mitteilen.
Aus ihrer Sicht ist in der Pandemie das Online-Business für die Modebranche noch wichtiger geworden. Darauf will auch sie ihren Fokus legen. Sie stellt zum Beispiel fest: Die Menschen bestellen zwar häufiger, aber die Warenkörbe werden kleiner.
Derzeit sind viele Läden in Deutschland geschlossen. Und modisch stellen sich durchaus neue Fragen, also zumindest für manche: Ist es zum Beispiel okay, in Schlafanzughose im Homeoffice zu sitzen? Van Der Borght findet, man solle tragen, was einem gefalle. Er persönlich würde sich für einen Einhorn-Pyjama entscheiden.
Ähnlich sieht das die Designerin Lena Hoschek aus Österreich. «Gott sei Dank leben wir in keinem Zeitalter mehr, in dem es einen bestimmten Kleidungszwang gibt. Die Frage ist nur, wie fühlt man sich selbst am wohlsten», teilt sie mit. «Ich glaube, dass die meisten von uns die Jogginghose mittlerweile schon satt haben und sich eigentlich gerne schön anziehen, wenn sie mal eine Konferenz haben.»
Hoschek sieht in der Pandemie eine große Chance für ein Umdenken beim Konsumenten. «Shop Local war die erste Initiative, die mich sehr begeistert hat – als der Konsument von sich aus heimische Betriebe unterstützt und vermehrt heimische Produkte konsumiert hat», teilt sie auf dpa-Anfrage mit.
Sie hat sich inzwischen dafür entschieden, ihre Kollektion nicht in Berlin, sondern zu einem anderen Zeitpunkt online vorzustellen. Der sehr frühe Termin im Januar habe ihnen schon seit Jahren zu schaffen gemacht. Einen ersten Ausblick auf neue Entwürfe will sie nun im Februar geben. Berlin fehle ihr: «Die Berlin Fashion Week habe ich immer sehr geliebt – die Stadt, den Trubel rund um die Fashion Week – das werde ich sehr vermissen.»
Dass sich mit Frankfurt am Main nun eine weitere Stadt als Modestandort etablieren könnte, macht es für Berlin nicht leichter. Die Messe Premium hatte im Sommer bekanntgegeben, nach Frankfurt zu ziehen. Die vielen Termine – München, Düsseldorf, Frankfurt, Berlin – erschwerten es Einkäufern sehr, findet Hoschek. «Wenn ich aus dem Ausland kommen würde, wüsste ich nicht, wo ich hinfahren soll. Ich glaube daher, dass alles eher regional wird.»
Ihre Kollegin Hoermanseder will die Entwicklung der Mode-Events in Deutschland beobachten. «Dadurch, dass unser Blick strategisch immer zunehmender auch auf Amerika gerichtet ist, wollen wir uns momentan gar nicht für Frankfurt oder Berlin entscheiden müssen.»