Bob Dylan hat es getan, kurz danach Neil Young, jetzt auch Shakira und Mick Fleetwood. Viele andere, die eher zur zweiten Pop-Promi-Reihe gehören, werfen Bedenken ebenfalls über Bord.
Immer mehr Musiker trennen sich von ihren Songrechten – weil Tonträgerverkäufe und in Corona-Zeiten nun auch Konzerteinnahmen wegbrechen, während Erlöse aus dem Audiostreaming- und TV-Serien-Boom für die Branche umso wertvoller werden. «Viele Musiker haben wohl gar keine Ahnung, wie reich sie eigentlich sind», sagt Hartwig Masuch vom Major-Label BMG laut «Financial Times». Gleichwohl: Längst streichen selbst gut betuchte Pop- und Rockhelden das leicht verdiente Geld ein – trotz möglicher Gier- und Verratsvorwürfe idealistischer Fans.
Beim US-Songpoeten und Literaturnobelpreisträger Bob Dylan (79) etwa war im Dezember von rund 300 Millionen Dollar (knapp 250 Millionen Euro) die Rede, die er vom weltweit führenden Label Universal für sein Gesamtwerk mit 600 Aufnahmen erhalte (darunter Klassiker wie «Blowin‘ In The Wind» und «Knockin‘ On Heaven’s Door»). Der Folk-Pionier hatte zuvor die Musikverlagsrechte selbst kontrolliert, soll aber schon seit längerem über einen Verkauf verhandelt haben.
Dass die Rechte-Abgabe an einen seriösen Käufer im fortgeschrittenen Musiker-Alter eine Erleichterung ist, geben Dylan und seine Altersgenossen nicht offen zu. Es darf aber angenommen werden. Und: Auch Rock-Veteranen wollen den eigenen Nachlass gut geordnet wissen – und ihre Musik für künftige Hörergenerationen an den Start bringen.
So verkaufte Mick Fleetwood (73), Schlagzeuger und Gründer von Fleetwood Mac, seine Anteile am Katalog der 70er-Jahre-Megaband gerade an BMG – «drei Monate nachdem der Fleetwood-Mac-Klassiker «Dreams» TikTok und damit Millionen neuer Fans weltweit eroberte», wie das Unternehmen am Donnerstag zu dem Deal stolz schrieb. Eine Kaufsumme wurde auch hier nicht genannt.
Der kanadische Singer-Songwriter Neil Young (75), ein weiterhin sehr umtriebiger Rock-Haudegen, veräußerte 50 Prozent der Rechte für 1180 Songs an die britische Firma Hipgnosis Songs Fund. «Es wird nie einen «Burger Of Gold» geben» – mit diesen Worten via Twitter versprach Hipgnosis-Boss Merck Mercuriadis einen sensiblen Umgang mit seinem neuen Eigentum – in Anspielung auf Youngs Welthit «Heart Of Gold».
Man arbeite zusammen, «um sicherzustellen, dass jeder sie (die Songs) zu Neils Bedingungen zu hören bekommt». Es gehe um «gemeinsame Integrität, Ethik und Leidenschaft, geboren aus dem Glauben an die Musik (…)», schrieb der Fonds-Manager nicht ohne Pathos. Mercuriadis besitzt (und pflegt mit solch euphorischen Äußerungen) das Image eines Pop-Fanatikers, der alles zum Besten seiner Klientel regeln will. Er arbeitet seit 40 Jahren in der Branche, war unter anderem Manager von Beyoncé, Elton John und den Pet Shop Boys.
Auch seinen jüngsten Coup zelebrierte der 57-Jährige mit einem Twitter-Gruß: «Willkommen in der Hipgnosis-Familie, Shakira.» Die kolumbianische Künstlerin (43), von der seine Firma laut Mitteilung vom Donnerstag den gesamten bisherigen Katalog mit 145 Songs und Welthits wie «Hips Don’t Lie» erwarb, sei «eine der ernsthaftesten und erfolgreichsten Songwriterinnen der letzten 25 Jahre».
Hipgnosis hatte kürzlich schon den Kauf von Verlagsrechten des früheren Fleetwood-Mac-Gitarristen Lindsey Buckingham («Go Your Own Way», «The Chain») gemeldet. Nach einem BBC-Bericht gab der Londoner Musik-Investmentfonds eine Milliarde Pfund (gut 1,1 Milliarden Euro) für Songs von Mark Ronson, Chic, Barry Manilow und Blondie aus. Solche Lieder seien «als Investition so wertvoll wie Gold oder Öl», zitierte der britische Sender den Manager Mercuriadis.
Über 57 000 Songs soll Hipgnosis (benannt nach den Designern ikonischer Pink-Floyd-Plattencover der 1970er Jahre) inzwischen im Portfolio haben, mit so unterschiedlichen Neuerwerbungen wie Nikki Sixx, Chrissie Hynde, L.A. Reid oder RZA. Der Fonds habe nach seiner rasanten Einkaufstour 2020 einen Milliardenwert erreicht, schrieb im Dezember die Webseite «Music Business Worldwide».
Die Investitionen dürften sich lohnen: Zeitlose Pop-Hits sind in der Spotify/Apple/Deezer-Ära mit massiv wachsendem Audiostreaming (und erst recht angesichts des turbulenten Musikmarkts in der Corona-Krise) so etwas wie ein Stabilitätsanker. Hinzu kommen Werbung sowie TV- und Streamingserien, die auf authentische Musikuntermalung setzen – und deren Macher Geld für Songrechte hinblättern.
Doch es gibt auch Künstler, die mit dem Geschäftsmodell hadern. So wurde der Songkatalog von Taylor Swift (31), einem der zurzeit größten Popstars der Welt, laut Medienberichten für über 300 Millionen Dollar veräußert. «Dies war das zweite Mal, dass meine Musik ohne mein Wissen verkauft wurde», klagte die US-Sängerin kürzlich in einem Protest-Statement. Nun nehme sie ihre älteren Lieder eben neu auf – das sei «aufregend und kreativ erfüllend».