«Das ist total out, das ist Hippieshit, aber ich sag es laut: Ich liebe Liebe zu dritt» – Fans haben bei diesen Zeilen sofort ihren französischen Akzent im Ohr: Die Künstlerin, Musikerin und Autorin Françoise Cactus ist tot.
Sie starb mit Ende 50 nach langer Krankheit in Berlin, wie ihr Management der Deutschen Presse-Agentur bestätigte. Zuvor hatte der RBB-Sender Radio Eins über den Tod berichtet. Dort wirkte Cactus seit 2016 als Moderatorin mit. In ihrer Sendung legte sie «Vinylplatten zu Themen wie Autos, Sex, Tieren, Frauen, Männern, das Tanzen» auf und kommentierte geistreich.
«Sie war ein unglaublich freundlicher Mensch, lebensbejahend, geistvoll, trotz aller Talente ganz bescheiden», hieß es beim RBB. «Mit Ende 50 ist sie an Brustkrebs gestorben, der wiederkam und im letzten Jahr metastasierte. Sie wusste, dass sie nicht mehr lange leben würde, aber hat ihre Sendung für radioeins trotzdem immer gemacht, auch wenn es ihr schlecht ging.» Manchmal sei sie extra aus dem Krankenhaus ins Homestudio gefahren, um die Show zu machen.
Am kommenden Dienstag soll es laut Radio Eins ihr Vermächtnis im Rundfunk zu hören geben. «Ihr Mann Brezel Göring, mit dem sie nicht nur gemeinsam Musik seit fast 30 Jahren machte, wird am 23. Februar «Die Sendung» alleine moderieren. Er hat drum gebeten, es wird eine Art Vermächtnis sein, er wird alle Titel spielen und auflegen, die sie schon herausgesucht hat für ihre nächste Sendung.»
Cactus wurde 1964 als Françoise van Hove in Villeneuve-l’Archevêque in der französischen Region Bourgogne (Burgund) geboren. Nach Studium unter anderem in Paris ging sie Mitte der 80er Jahre nach Berlin (West). Dort war sie zunächst als Musikerin bei den Lolitas aktiv oder arbeitete als Layouterin bei der «taz». Bekannt wurde sie dann vor allem als Sängerin und Schlagzeugerin von Stereo Total («Liebe zu dritt», «Du bist schön von hinten»). In der Band spielte sie mit ihrem Partner Brezel Göring. Die beiden hatten sich 1993 in Berlin-Kreuzberg kennengelernt. Das letzte Album erschien 2019.
Die auch in der Punk-Szene aktive Synthiepop-Band legte sich selbst zu Beginn ein hartes Regelwerk auf. So durfte kein Instrument teurer sein als 50 Mark (gut 25 Euro), Virtuosität sollte «unbedingt vermieden werden», Texte waren erlaubt in jeder Sprache «außer Englisch». Nichts durfte dem «Zeitgeschmack» entsprechen, alles musste «den technischen Standard unterschreiten».
2004 gab es Aufregung über die Ausstellung «When Love Turns to Poison» (Wenn Liebe zu Gift wird). Der Schau, an der Cactus beteiligt war, wurde die Darstellung von Kindesmissbrauch und -pornografie vorgeworfen. Zu sehen war etwa eine nackte Strickpuppe von Cactus, aber auch Fotos und Video-Installationen, die Kinder in obszönen Posen darstellten. Dabei ging es etwa um das Rollenbild der Frau, die Darstellung sexueller Wünsche oder tabuisierter Praktiken.
Auch als Autorin war Cactus aktiv. Erzählungen von ihr sind etwa in «Neurosen zum Valentinstag» zusammengefasst, mit «Zitterparties» legte sie einen Jugendroman vor. Die Vorgänge um die umstrittene Kunstausstellung arbeitete sie gemeinsam mit Wolfgang Müller, dem Gründer der Künstlergruppe und Band Die Tödliche Doris, in «Wollita – Vom Wollknäuel zum Superstar» auf.
Online äußerten sich am Mittwochabend viele traurig über Cactus‘ frühen Tod. Unvergessen sind Stereo-Total-Textzeilen wie «Du bist schön von hinten. Mit ein paar Metern Entfernung (…) Am schönsten bist du, wenn du gehen musst…»