Mit seiner Weltpremiere des Balletts «Orlando» nach dem Klassiker von Virgina Woolf hat der deutsche Choreograph Christian Spuck am Moskauer Bolschoi Theater Begeisterung ausgelöst.
«Jetzt, da viele Theater in der Welt wegen der Pandemie geschlossen sind, habe ich die Ehre und die Möglichkeit, hier zu arbeiten», sagte der frühere Stuttgarter Ballettstar in der russischen Hauptstadt. Das Ballett in Zürich, das der 51-Jährige leitet, ist wegen der Corona-Pandemie im Lockdown. Spuck lässt in dem gefeierten Stück in Moskau die Ballerina Olga Smirnowa die Rolle des jungen Orlando tanzen, der nach einem tiefen Schlaf als Frau aufwacht.
Weil Fragen von geschlechtlicher Identität in Russland oft tabuisiert werden und Spuck auch Männer mit Männern und Frauen mit Frauen zärtliche Tänze aufführen lässt, ist das Ballett erst ab 18 Jahren frei gegeben. Der Solist Semjon Tschudin ist in einer Doppelrolle als Königin Elisabeth I. und als Liebhaber des weiblichen Orlando zu sehen. Spuck hatte auf die Frage russischer Journalisten, ob es nicht schwierig sei in einer «homophoben Gesellschaft» zu arbeiten, erklärt, dass es ihm um Persönlichkeiten und nicht um Geschlechterfragen gehe bei der Zeitreise durch 350 Jahre.
Viel Applaus gab es etwa für das männliche Duett des Italieners Jacopo Tissi und des Brasilianers David Motta Soares. Die Ballettkritikerin Tatjana Kusnezowa schrieb in der Moskauer Zeitung «Kommersant» am Freitag, dass die Inszenierung so harmlos sei, dass sie auch leicht Kindern gezeigt werden könne. Dabei habe Spuck aber kaum das klassische tänzerische Potenzial der weltberühmten Compagnie ausgeschöpft. Ihr Urteil: «eine professionell tragbare, aber zu nüchterne Choreographie».
Das Publikum reagierte mit viel Szenenapplaus – besonders in der zweiten und deutlich stärkeren Hälfte des rund zweistündigen Abends – und am Ende mit Ovationen. Die Theater sind in der russischen Hauptstadt ungeachtet der Pandemie geöffnet – bei maximal 50 Prozent Auslastung.