Der Hamburger Schriftsteller Saša Stanišić hat sich für sein neues Buch wieder auf Reisen begeben. Diesmal jedoch führen die literarischen Pfade den 42-Jährigen («Herkunft») nicht in seine Vergangenheit oder seine Heimat.
Stattdessen reist der Träger des Deutschen Buchpreises mit einem Taxi aus Käse auf den Mond, mit einem sehr kleinen Riesen in die Wälder und mit einem unter der Motorhaube Motorgeräusche machenden Motormann zum Schuster. Stanišić hat sein erstes Kinderbuch geschrieben. Es trägt den Titel «Hey, hey, hey, Taxi!» – und Co-Autor des bunten Buches ist sein heute sechsjähriger Sohn.
Für ihn und ein paar andere Kinder von Freunden hatte sich Stanišić vor fast zwei Jahren – an seinem 40. Geburtstag – zum ersten Mal die kreativen Geschichten um spießige Piraten, traurige Giraffen und Gurkenampeln ausgedacht. «Es war abends und die Kinder begannen, in einer schönen, aber auch gefährlichen Art wild zu sein, sodass ich dachte, ich sollte sie jetzt mal einfangen. Also habe ich schnell eine Geschichte erfunden mit einem Riesen, der ein Riesentaxi fuhr. Die fanden das spannend und waren plötzlich total ruhig und voll da», erinnert sich Stanišić im Interview der Deutschen Presse-Agentur in Hamburg.
Und am nächsten Tag kramte er die Taxi-Geschichte für seinen Sohn zum Einschlafen wieder hervor. Es folgten viele weitere Tage und Abende, an denen das Vater-Sohn-Duo neue Reise-Abenteuer ersann, mit neuen Figuren und verrückten Taxifahrten. Beim Ausdenken hat sich Stanišić auch von bosnischen und deutschen Mythen und Märchen inspirieren lassen. Das verbindende Element ist immer, dass der Ich-Erzähler in ein Taxi steigt, Außergewöhnliches erlebt und am Ende stets nach Hause zurück kommt – «zurück zu dir».
Stanišić fing 2019 an, die absurden wie faszinierenden Abenteuer dieser wahrhaft fiktiven Helden aufzuschreiben – wenn sein Sohn sie für gut genug hielt. Nun erscheint «ein Bruchteil der vielen Geschichten» als ein Vorlesebuch. Eine Fortsetzung ist nicht ausgeschlossen. «Total gerne. Ich würde mich freuen. Aber das warten wir mal ab.»
Zu Beginn sei ihm das spontane Erfinden nicht leicht gefallen, gibt der mehrfach ausgezeichnete Schriftsteller unumwunden zu. «Aber mit der Zeit war das Erzählen wie eine Art Training. Je mehr Zeit vergangen ist, desto leichter konnte ich neue Motive und Figuren erschaffen.»
Ursprünglich war das Projekt nicht für den Buchmarkt bestimmt. «Ich habe lange gar nicht über eine Veröffentlichung nachgedacht, das Erzählen fand ja nur zwischen meinem Sohn und mir statt. Da er das so gut fand, dachte ich aber auch irgendwann, dass es andere Kinder auch gut finden könnten.» Dennoch sei das Buch sehr persönlich: «Ein Artefakt der Verbindung zwischen mir und meinem Sohn.» Er habe es als Vater und nicht als Literaturpreisträger geschrieben.
Die Veröffentlichung hat der kleine Hamburger Mairisch-Verlag von Freunden von ihm übernommen. Das Lektorat sei nicht mit dem «Blick auf Käuflichkeit und Markt» passiert. Deshalb wurden auch die «nicht typischen Kinderbuchelemente» nicht geändert, «nur um gefälliger zu sein». Es sei von Anfang an klar gewesen, «dass es ein Projekt mit besonderen Vorzeichen sein wird».
Das Kinderbuch wird von ebenso bildstarken wie farbintensiven Zeichnungen der Berliner Illustratorin Katja Spitzer – der Favoritin seines Sohnes – begleitet und teilweise auch dominiert. Mit voller Absicht. «Die Entwürfe waren so super. Die sollten nicht einfach nur klein unten rechts an der Ecke stehen. Wir haben deshalb einfach ein paar Seiten mehr eingeplant, damit sie mehr Platz für ihre Illus hat. Und wir sind alle total froh über das Ergebnis.»
Wenn Stanišić sich was wünschen dürfte, dann sollte «Hey, hey, hey, Taxi!» auch andere Eltern inspirieren und sie mit ihren Kindern auch in kreativer Weise zusammenbringen. Er hofft, dass sie die Geschichten nehmen, sie zerpflücken, mit Freude neu zusammensetzen und eigene persönliche Elemente dazubauen. «Eignet euch die Geschichten so an, dass ihr eure Lebenswirklichkeit und eure Berufe einbaut», so Stanišić. Ähnlich formuliert er das auch in seinem Vorwort.
Dass die «Taxi»-Geschichten keine stringente, klassische Erzählweise haben, ist Stanišić natürlich bewusst. «Das war am Ende auch das große Wagnis. Wie werden die abschweifenden, gelegentlich nicht pointierten und chaotischen Abenteuer ankommen, wenn man sie sich nicht selbst ausgedacht hat?», habe er sich oft gefragt. Man müsse sich auch darauf einlassen, dass Manches in angenehmer Weise unbegreiflich bleibe.
Das Buch mit den 28 Geschichten wird schon aufgrund des berühmten Autors seine Abnehmer finden. Und es wird Eltern geben, die mit den abgedrehten Geschichten und Stanišićs Worterfindungen nichts anfangen können. Genauso aber werden Kinder beim Lesen und Vorlesen von «Hey, hey, hey, Taxi!» fasziniert in die einer zutiefst kindlichen Fantasie entsprungenen Welt eintauchen können und genau über diese Wortschöpfungen kichern.
Saša Stanišić & Katja Spitzer: Hey, hey, hey, Taxi!, Kinderbuch ab 4 Jahren, Mairisch-Verlag, Hamburg, 96 Seiten, 18,00 Euro, ISBN 978-3-948722-05-0
Das vom Autor gesprochene Hörbuch erscheint zeitgleich.