Diese vier Schüler sind seit 40 Jahren in der neunten Klasse sitzengeblieben. Dennoch haben sie das Leben von Millionen Kindern lehrreicher und spannender gemacht.
Am Mittwoch hat die Hörspielreihe «TKKG» runden Geburtstag, als Stichtag gilt der 31. März 1981. Rund 40 Millionen Tonträger wurden bisher verkauft.
Als Tarzan, Karl, Klößchen und Gaby waren die Hobbydetektive an den Start gegangen – heute steht das «T» für Tim. «Es ist für uns selber ja manchmal gar nicht vorstellbar, dass wir 40 Jahre jetzt nun dabei sind und dass es 40 Jahre gut läuft», sagt «Klößchen»-Sprecher Manou Lubowski im dpa-Interview. Das Erfolgsrezept? «Dass wir uns treu geblieben sind.» Täglich wird «TKKG» gut eine Million Mal gestreamt.
Die Grand Dame des deutschen Hörspiels, Heikedine Körting, hat für das Label Europa bisher 217 Folgen produziert, die meisten nach Geschichten des Schriftstellers Rolf Kalmuczak alias Stefan Wolf. Sie etablierte damit ein deutsches Gegenstück zu den Abenteuern der «Drei Fragezeichen» in den USA, die sie seit 1979 in Hamburg vertont: «Grundsätzlich kann man sagen, dass die Fälle aus den „TKKG“-Folgen im realen Umfeld der Hörerinnen und Hörer spielen könnten. Herr Kalmuczak sagte immer, er bräuchte bloß in die Tageszeitung zu schauen, was so passiert, und schon hätte er eine Story.»
Da geht auch mal eine Bombe hoch. Es fliegen Steine von Brücken auf Autofahrer. Einmal bricht ein Tiger aus. Aber eigentlich ist es das Wiedererkennen des eigenen Alltags, das die Storys liebenswert macht. Auch ein Markenzeichen: Am Rande wird Allgemeinwissen eingeflochten. Zwischen zwei Verfolgungsjagden erzählt Physikersohn Karl etwas über Planeten oder Tarzan bläut Klößchen ein Kapitel Kunstgeschichte ein.
Vier Freunde. Ein Judo-Kämpfer, ein schlagfertiges Dickerchen, ein Schlauberger und ein Mädchen, das hübsch und tierlieb ist. Sascha Draeger (Tarzan/Tim) und Manou Lubowski (Klößchen) sind seit der ersten Folge bis heute dabei. Veronika Neugebauer ist schon 2009 viel zu jung gestorben. Niki Nowotny stieg nach rund 200 Folgen aus. Die vier Rollen machen heute Tobias Diakow und Rhea Harder komplett.
Heute ist «TKKG» ein Stück Popkultur. Lubowski erinnert sich: «Bis in die 90er gab es wirklich diese Jugendgruppen – auf dem Schulhof, oder draußen, wenn man auf dem Dorf lebte. Da war das auch so aufgeteilt. Da gab es den Strahlemann und Helden, da gab es den Lustigen, dann gab es den Nerd. Wenn man Glück hatte, waren auch Mädchen dabei.»
Lubowski, der als Elfjähriger begann und inzwischen 51 Jahre alt ist, liebt die akustische Welt dieser Hörspiele. «Das ist immer so eine Reise in die Vergangenheit. Gerade was die Geräusche angeht.» Da sei zum Beispiel dieses Hundebellen: Der tapfere Cocker-Spaniel Oscar weicht außerhalb des Klassenzimmers nur selten von Gabys Seite. Die Wenigsten dürften wissen, dass es eine Hundedame war, die Oscar das charakteristische Europa-Bellen lieh. «Der Cocker-Spaniel hieß Mona, er lebte noch viele Jahre und war sehr häufig mit im Studio. Und das Bellen blieb eigentlich immer gleich», erinnert sich Körting.
Wenn man in die ersten Fälle reinhört, hört man das Westdeutschland der ausklingenden Helmut-Schmidt-Ära. Zehn-Pfennig-Stücke, die in ein Münztelefon rasseln. Ratternde Wählscheiben. Scheibenwischer, die so laut quietschen wie eine ganze Waschanlage. Große Milchbars, in denen Eis im Glasbecher ausgelöffelt wird. Ein versunkener Kontinent.
Aber nicht nur Geräusche haben sich verändert, die Sprache auch. Die frühen Fälle trifft immer wieder Kritik für ihr Weltbild. Fairerweise muss man sagen, dass dieses Weltbild aus den Büchern stammt. «Ich kämpfe nicht gegen Weiber», ist so ein typischer Tarzan-Satz der 1980er Jahre. In «Ufos in Bad Finkenstein» scherzt ein Trainer, seine Mannschaft von «Kümmeltürken» könne Tarzan nicht das Wasser reichen. In «Der blinde Hellseher» wird ein Wirt aus Italien von TKKG sofort als Mafia-Mitglied verdächtigt. In «Der Schatz in der Drachenhöhle» kämpfen die Neuntklässler gleichzeitig gegen «Rocker» und «Zigeuner» – diese Folge gehört aber zu den Fällen, die nicht mehr im Handel sind.
«Ich muss ehrlich sein, dass ich die alten Folgen nicht sehr häufig anhöre», sagt der Klößchen-Sprecher. «Die damaligen Dialoge waren naiver als jetzt. Das ist wie wenn man sehr alte «Tim und Struppi» liest. Was die politisch unkorrekten Ausdrücke angeht: Abgesehen davon, dass wir kleine Kinder waren: Es war sehr normal. Es war eine andere Zeit.» Lubowski betont: Es sei richtig, heute Begriffe wie «Zigeunersoße» zu ändern, wenn Menschen sich dadurch konkret provoziert fühlten. Und er fügt hinzu: «Wenn ich in alten Folgen solche Ausdrücke hören würde, würde ich mich wahrscheinlich auch ein bisschen fremdschämen, weil es so fern von der jetzigen Zeit ist.»
Europa-Chefin Körting sagt dazu: «Früher hat man sich dabei nichts Böses gedacht. Wenn mal Kritik dazu kam, ging das gleich an Herrn Kalmuczak, der wohl gute Erklärungen hatte. Jedenfalls kam niemals eine Anschluss-Kritik.» Ihr Fazit: «Auch für TKKG setzen wir heute alles daran, eine diskriminierungsfreie Sprache zu etablieren.»
Ohnehin setzt man bei der «TKKG»-Reihe heute sehr auf Modernisierung. In diesen Tagen veröffentlicht Amazon Music ein interaktives «TKKG»-Hörspiel, bei dem die Fans den Helden zu Hilfe kommen müssen. «TKKG – Das verfluchte Osterei» kommt am Karfreitag auf den Markt.
Was würde Manou Lubowski denn gern mal in der Rolle des «Klößchen» erleben? «Interessant wäre für mich, wenn uns mal ein alter Fall einholen würde. Das ist aber sehr schwierig zu bewerkstelligen, weil wir ja immer im selben Alter bleiben. Aber auch was das angeht, wird es sehr spannend werden in nächster Zeit, soviel kann ich versprechen. Das TKKG-Universum fängt eigentlich erst an zu wachsen.»