Neue «Miss Germany» tritt Amt an – Mutter gekürt
Applaus: Anja Kallenbach ist zur Miss Germany 2021 gekürt worden. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Philipp von Ditfurth/dpa)

Sie setzte sich gegen viele Frauen mit besonderen Geschichten durch: Die Thüringerin Anja Kallenbach ist die neue «Miss Germany».

Die 33-Jährige aus Tiefenort in Bad Salzungen im Wartburgkreis wurde im Europa-Park im badischen Rust gekürt und bekam von ihrer Vorgängerin Leonie von Hase die Schärpe umgehängt. Erfolg sei für sie «nicht zu denken, sondern einfach zu machen – mit viel Humor und Leidenschaft», sagte Kallenbach kurz vor ihrem Sieg.

Die zweifache Mutter hatte nach eigenen Angaben eine schwierige Schulzeit, absolvierte schließlich aber doch ein Studium. Sie war Geschäftsführerin in einem Einzelhandelsunternehmen und fährt Mountainbike.

Kallenbach ist eine von 16 Kandidatinnen aus allen Bundesländern, die es ins Finale geschafft haben. Mit dabei waren auch eine Aktivistin, die gegen die Diskriminierung dicker Menschen kämpft, eine Überlebende sexueller Gewalt, eine Zeugen-Jehovas-Aussteigerin und eine Frau mit künstlichem Darmausgang. Die Teilnehmerinnen mussten sich in verschiedenen Runden präsentieren und ihre Botschaft deutlich machen.

«Miss Germany» kommt seit vergangenem Jahr mit einem überarbeiteten Konzept daher: Nach viel Kritik von Feministinnen soll es nicht mehr vorrangig ums Aussehen gehen, sondern darum, authentische und inspirierende Frauen zu fördern. Knigge-Trainings vor dem Finale, Schaulaufen im Bikini vor einer männlich dominierten Jury und Teilnahme-Verbote für Mütter gehören der Vergangenheit an.

Schon kurz vor dem Finale betonten mehrere Teilnehmerinnen, dass sie nur wegen des neuen Konzepts teilgenommen hätten. «Bei einem Schönheitswettbewerb hätte ich nicht mitgemacht», sagte etwa Cynthia Junghanns, die «Miss Hessen». «Wer braucht das denn, dass da jemand im Bikini langläuft?» Vielen jungen Frauen tue das herrschende Schönheitsideal ohnehin nicht gut.

Die «Miss Hamburg», Julia Kremer, sagte vor der Show, bei einer normalen Misswahl hätte sie als dickere Frau wohl sowieso keine Chance gehabt. Dicke Menschen würden immer noch stark diskriminiert: Als sie sich beispielsweise bei einer Moderatorenschule beworben habe, sei ihr gesagt worden, dass sie nur einen Job finden würde, wenn sie drastisch abnehme. «Jetzt gehe ich meinen eigenen Weg. Nennt mich fett, nennt mich dick – das sind für mich keine Waffen mehr, um mich kleinzumachen.» Isabelle Stoppel, die «Miss Niedersachsen», sagte, die Teilnehmerinnen seien zu einer Gemeinschaft zusammengewachsen, um Konkurrenz gehe es für sie gar nicht. «Ich habe hier Freundinnen fürs Leben gefunden.»

Auch auf der Bühne herrschte dann auch ein Klima des intensiven Bestärkens. So mussten die Top vier eine Lobeshymne auf die jeweils anderen halten. Der Satz: «Du kannst so stolz auf dich sein», fiel diverse Male. Die Ausgeschiedenen mussten nicht hinter der Bühne verschwinden, sondern nahmen Platz in einer «Support-her-Lounge», («Unterstütze-sie-Lounge»). Und «Miss Baden-Württemberg» Weihua Wang sagte sogar, sie und die anderen Teilnehmerinnen hätten im Vorbereitungs-Camp vorgelebt, dass Einheit in Vielfalt erreichbar sei.

Doch ganz ohne Widersprüche ist das Konzept nicht. Das Aussehen soll keine Rolle mehr spielen, trotzdem treten die Frauen in verschiedenen Outfits auf. Es soll darum gehen, Klischees aufzubrechen. Doch die Kategorien, in denen sich die Frauen präsentieren, klingen zumindest zum Teil doch noch ziemlich nach Klischee-Weiblichkeit: Zum Beispiel «Family & Home» («Familie & Zuhause») oder «Beauty & Care» («Schönheit & Pflege»). Zwar betonen die Veranstalter stets, dass Frauen in der Gesellschaft an einem Strang ziehen sollen und es bei «Miss Germany» darum gehe, sich gegenseitig zu unterstützen. Trotzdem fliegt eine nach der anderen raus, und nur eine kann am Ende gewinnen. Daran ändert auch nichts, dass das Moderatoren-Team immer wieder betont, dass hier alle Gewinnerinnen seien.

Von Violetta Heise, dpa