Es hätte eine spannende Kinowoche werden können. Clint Eastwoods neues Drama über das Olympia-Attentat von Atlanta sollte starten. Ebenso die Verfilmung der deutschen Fernsehserie «Berlin, Berlin» und die Fortsetzung des Erfolgs-Horrors «A Quiet Place». Doch dazu kam es nicht.
Stattdessen beschloss die Bundesregierung am 16. März 2020 wegen der Corona-Pandemie den Lockdown und damit auch die sofortige Schließung der Kinos. Das ist nun ein Jahr her – ein Jahr voller Stillstand und Unsicherheit für die Branche, die mittlerweile mit mehr und mehr Unverständnis und Wut reagiert.
«Damit nicht ein zweites Krisenjahr folgt, benötigen wir bundesweit einheitliche, nachvollziehbare und verlässliche Regelungen für eine Wiedereröffnung», fordert etwa Christian Bräuer von der AG Kino – Gilde. Der kürzlich angekündigte Stufenplan zum Neustart hinterlasse viele Fragen, so dass die erhoffte Klarheit für die Öffnung der Kinos immer noch fehle. «Es werden Testpflichten auferlegt, ohne dass Testmöglichkeiten bestehen», sagt Bräuer der Nachrichtenagentur dpa. «Hier benötigen wir dringend verständliche Regeln, die sich an der Realität des Kinobetriebs orientieren und die dazu führen, dass schnell wieder mit höheren Kapazitäten gespielt werden kann.»
Hinzu kommen die wirtschaftlichen Folgen. «Das Land Berlin und der Bund haben uns in den letzten Monaten zur Seite gestanden, aber die Herausforderungen lassen nicht nach», betonte Bräuer. «Allerdings sind die Hilfszahlungen bei vielen Kinos immer noch nicht eingegangen und die angekündigten Abschlagszahlungen wurden jetzt eingestellt. Hier muss weiter dringend nachgesteuert werden.» Christine Berg vom Verband HDF Kino ergänzt: «Natürlich war das letzte Jahr für die Kinos wirtschaftlich wie emotional ein absoluter Ausnahmezustand und noch längst sind nicht alle Förderhilfen geflossen.»
Damit endet das Corona-Kinojahr ein bisschen, wie es anfing. Denn nach dem ersten Lockdown begann schon bald ein bundesweites Durcheinander. Selbst wenn ab Mitte Mai Wiedereröffnungen teilweise wieder möglich waren, variierten die Daten und Hygienevorgaben von Bundesland zu Bundesland. Wie viele Plätze und Sitzreihen müssen zwischen den Besuchern frei bleiben? Wann genau muss man eine Maske tragen? Fragen wie diese blieben im Detail oft noch länger unklar und sorgten weiter für Verunsicherung bei den Besuchern.
Hinzu kam, dass bis auf Ausnahmen wie der starbesetzte Thriller «Tenet» Blockbuster als Publikumsmagneten fehlten, viele wurden auf einen späteren Zeitpunkt verschoben. Kein Wunder, dass im Coronajahr die Besucherzahlen und Umsätze auch deutscher Kinos massiv einbrachen: Die Zahl der verkauften Tickets ging 2020 nach Angaben der Filmförderungsanstalt (FFA) um rund 68 Prozent zurück. Ähnlich sah es bei den Umsätzen aus: etwa 69 Prozent weniger als noch im Jahr 2019.
Trotzdem gab es nicht nur Verlierer. So fielen – wahrscheinlich auch weil es schlichtweg weniger internationale Produktionen gab – immerhin 35 Prozent der Kinobesuche laut FFA auf deutsche Filme. Die 20 besucherstärksten deutschen Filme kamen 2020 demnach auf zusammen fast zehn Millionen verkaufte Tickets. Außerdem hatten ohne die Strahlkraft der Blockbuster auch kleinere Produktionen eine Chance, gesehen zu werden. So sicherte sich «Eine Frau mit berauschenden Talenten» mit Isabelle Huppert mehrere Wochen lang Platz eins der Arthouse-Kinocharts.
Möglicherweise geht es jetzt am 22. März wieder los mit den Kinoöffnungen – genaues weiß man aber mal wieder noch nicht. Der Verband HDF Kino drängt daher auf mehr Planungssicherheit. Ein bundesweit einheitlicher Eröffnungstermin sei für den Start neuer Filme notwendig, sagt Christine Berg.
Trotzdem will die Branche den Kopf nicht hängen lassen. Christian Bräuer von der AG Kino – Gilde blickt auch optimistisch in die Zukunft: «Wir haben in diesem Pandemiejahr vor allem gelernt, wie sehr uns das Publikum liebt und vermisst». Immer noch gingen täglich viele emotionale Nachrichten und Gutscheinbestellungen von Gästen ein. «Manch zynische Stimmen haben ja wiederholt behauptet, dass Streaming das Ende des Kinos bedeuten würde», so Bräuer. «Das Gegenteil scheint der Fall: Lange haben sich nicht mehr so viele Menschen nach dem gemeinsamen Kinoerlebnis gesehnt.»