Es ist früher Morgen, als Ralf Moeller auf dem Treppchen seines Hauses in Recklinghausen erscheint. Die Jalousien im Erdgeschoss, in dem seine Eltern Ursula (85), genannt Uschi, und Helmut (92) leben, sind noch geschlossen. Nur Helmut war eben mal am Fenster zu sehen, beim Rauchen.
Dann fahren plötzlich zwei Taxis in die Seitenstraße. Moeller setzt ein Grinsen auf, das man so wohl nur in Hollywood lernt. «Da kommt die Armee an!», verkündet er.
Moeller, einst Bodybuilder, hat in Kinofilmen so manche Schlacht ausgefochten – seine größte als germanischer Schwertkämpfer im Staub- und Schweiß-Blockbuster «Gladiator» aus dem Jahr 2000. Heute endet ein Kampf, der etwas langwieriger war. Seine beiden Eltern bekommen ihre zweite Corona-Impfung. «Mudder, komm‘ nach vorn», sagt Moeller, als die frühere Schuhverkäuferin in eines der Taxis steigen will. Moeller selbst setzt sich hinten in den Wagen. An der Spitze der Kolonne wird Helmut zum Impfzentrum kutschiert.
Moeller, der in normalen Zeiten einen Großteil seines Lebens in Los Angeles verbringt, lebt nun schon seit Monaten mit seinen Eltern unter einem Dach. Sie in der unteren, er in der oberen Etage, in der er sich um die Impftermine kümmerte. Die räumliche Trennung war hilfreich, als sich Moeller selbst mit dem Coronavirus infizierte und deshalb nicht – wie geplant – schon mit zur ersten Impfung fahren konnte. Die Krankheit verlief milde. Diesmal kann er mit. Ein alter Freund, der Heinz, ist auch zur Unterstützung gekommen.
Moeller hat immer wieder die Pandemie-Politik in Deutschland kritisiert. Zu schleppend sei das alles, findet der Schauspieler, der im März passenderweise ein Buch mit dem Titel «Erstma‘ Machen!» veröffentlichte. Zu kompliziert sei es auch für die Alten, an einen Impftermin zu kommen. Und zu umständlich, zu den Zentren zu fahren.
Am Impfzentrum in Recklinghausen, Stacheldraht am Zaun, sieht er sich in seiner Kritik zunächst einmal bestätigt. Es ist früh, eine Reihe Menschen – vor allem Ältere – warten auf den Einlass. Womöglich sind sie einfach recht zeitig gekommen. Moeller aber sieht die Länge der Schlange kritisch. «Am Sonntagmorgen. Im Regen», stellt er fest. Auch wenn er nachschiebt: «Jetzt regnet es gerade nicht.»
Nicht jedem gefällt Moellers Art, die Dinge zu kritisieren. Ihm macht das nichts aus. Er sage eben seine Meinung. Er wisse ja auch zu loben, sagt er. «Ich habe mich für meine Eltern eingesetzt. Darum geht’s in erster Linie.» Aber es seien auch viele Fehler gemacht worden. Seine 23 Jahre alte Tochter in den USA sei schon geimpft. Man hätte bessere Lösungen finden können. «Und das fehlt dieser Regierung: Lösungen. Nicht immer nur Lockdowns, Lockdowns.»
Etwa eine halbe Stunde später weiß er dann tatsächlich etwas zu loben: «Wenn du einmal drin bist, ging das sehr professionell», sagt er über das Impfzentrum. Helfer, Ärzte, Pfleger, Krankenhausmitarbeiter, Soldaten – alle machten einen tollen Job. Ursula und Helmut halten derweil ihre Impfpässe fest. Er sei glücklich, dass «Vadder» und Mutter nun vollständig geimpft seien, sagt Moeller. Und fordert: «Jetzt muss alles geimpft werden.»
Es ist 9.00 Uhr am Sonntagmorgen, da ist Moeller zurück an seinem Haus und seine Eltern in ihrem Wohnzimmer. Nun, da die beiden geimpft sind, geht er wieder zurück in die USA? «Ich werde im Mai jetzt erstmal zurück gehen», sagt der Schauspieler. Vorher habe er noch ein paar berufliche Termine.
Plötzlich erscheint Mutter Ursula auf dem Balkon. «Ralf, du musst kommen!», ruft sie. «Ich komm‘ nicht zurecht!»