Die BBC gerät nach den Enthüllungen um das legendäre Diana-Interview zunehmend unter Druck durch die Regierung. Kulturminister Oliver Dowden bezichtigte die britische öffentlich-rechtliche Rundfunkanstalt der Arroganz und forderte einen kulturellen Wandel.
«Die BBC muss jetzt rasch handeln, um das Vertrauen wiederherzustellen, und sie muss dem Land versichern, dass sie alle anderen Bereiche beleuchtet, in denen sie die hohen Standards nicht erfüllt, die wir zu Recht von ihr erwarten», schrieb Dowden in einem Gastbeitrag in der «Times» am Montag.
Aus einem vergangene Woche veröffentlichten Untersuchungsbericht war hervorgegangen, dass ein BBC-Reporter gefälschte Dokumente eingesetzt hatte, um Zugang zu Prinzessin Diana für das aufsehenerregende Interview aus dem Jahr 1995 zu erhalten. Fingierte Kontoauszüge sollten beweisen, dass Diana von Menschen in ihrem Umfeld bespitzelt wurde. Später hatte die BBC das Fehlverhalten vertuscht.
Das zur besten Sendezeit ausgestrahlte Exklusivgespräch hatte rund 23 Millionen Menschen in Großbritannien vor die Fernseher gelockt. Die bereits von Prinz Charles getrennte, aber noch nicht geschiedene Prinzessin beschrieb damals, wie sie sich vom Königshaus alleine gelassen und sabotiert fühlte. Und sie legte die Affäre ihres Mannes mit Camilla Parker-Bowles offen. «Wir waren zu dritt in dieser Ehe», sagte Diana in die Kamera – ein unerhörter Tabubruch. Kurz darauf reichte Charles die Scheidung ein. Prinzessin Diana starb zwei Jahre später bei einem Autounfall in Paris. Sie hatte sich auf der Flucht vor Paparazzi befunden.
Dowden kündigte an, die Regierung werde nun überprüfen, ob die inzwischen veränderten Strukturen der BBC einen solchen Verstoß gegen journalistische Standards auch heute noch zulassen würden. Langfristig stehe dabei auch die Zukunft der Finanzierung, Form und Struktur der BBC auf dem Prüfstand. Ähnlich wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk in Deutschland wird die BBC weitgehend über Beiträge finanziert.
Die konservative Regierung von Premierminister Boris Johnson droht schon seit langem damit, die Beitragspflicht abzuschaffen. Konservative Politiker kritisieren die BBC regelmäßig als nicht patriotisch genug und werfen ihr mangelnde Ausgewogenheit in der Berichterstattung zugunsten linksliberaler Einstellungen vor. Ähnliche Kritik gibt es aber auch immer wieder von linken Politikern, denen die BBC zu konservativ ist.
Die BBC selbst kündigt nun eine Überprüfung ihrer Strukturen an. «Wir haben Vertrauen, dass die Prozesse und Richtlinien in der BBC heute viel robuster sind, als sie 1995 waren. Aber wir wissen, dass wir alles dafür tun müssen, um zu verhindern, dass es erneut zu so einem Vorfall kommt», hieß es in einer Mitteilung des BBC-Vorstands. Daher werde nun detailliert geprüft, wie wirksam die redaktionellen Grundsätze und Kontrollen seien.
Die Enthüllungen über das Diana-Interview führten auch zum Rücktritt des früheren BBC-Generaldirektors Tony Hall als Vorsitzender der Nationalgalerie in London. Bliebe er auf dem Posten, würde das eine Ablenkung von einer Institution bedeuten, die ihm sehr am Herzen liege, erklärte Hall, der zum Zeitpunkt des Interviews Nachrichtendirektor bei der BBC gewesen war. «Ich bedauere die Ereignisse vor 25 Jahren und glaube, dass Führung bedeutet, Verantwortung zu übernehmen.»
Prinz William (38) hatte nach der Veröffentlichung des Berichts gesagt, das Interview habe einen «wesentlichen Beitrag» geleistet, dass sich die Beziehung seiner Eltern verschlechtert habe. Er erhob schwere Vorwürfe gegen die damalige Führungsebene der Rundfunkanstalt, die weggeschaut habe, statt harte Fragen zu stellen.
Für solch deutlichen Worte ist William normalerweise nicht bekannt. Auch in seiner Rede zur Eröffnung der Generalversammlung der schottischen Kirche ging es am Wochenende in Teilen um Diana. «Schottland ist eine Quelle einiger meiner glücklichsten Erinnerungen, aber auch meiner traurigsten», sagte der Prinz. Dort habe er nämlich während eines Aufenthalts auf Schloss Balmoral vom Tod seiner Mutter erfahren.
Sein jüngerer Bruder Harry (36), der sich im vergangenen Jahr aus dem engeren Kreis der Königsfamilie zurückgezogen hatte und inzwischen in Kalifornien lebt, machte das Fehlverhalten der Medien gar für Dianas Tod verantwortlich. «Der Welleneffekt einer Kultur der Ausbeutung und der unethischen Praktiken hat sie letztendlich das Leben gekostet», sagte er einer Mitteilung zufolge.