Majestätisch und märchenhaft steht die Goldene Kutsche in einer gläsernen Vitrine im Innenhof des Amsterdam Museums.
Gut 120 Jahre alt ist sie und ein prachtvolles Relikt einer längst verflogenen Zeit – so scheint es. Denn diese Kutsche steht auch im Mittelpunkt eines sehr aktuellen erbitterten Kulturkampfes. Die Goldene Kutsche ist Symbol der Monarchie der Niederlande und zugleich Symbol für Rassismus und Unterdrückung in mehr als 200 Jahren Kolonialgeschichte.
Nach einer mehr als fünfjährigen Restaurierung zeigt das Amsterdam Museum für Stadtgeschichte in einer Ausstellung, die König Willem-Alexander am Donnerstag eröffnete, die Goldene Kutsche, ihre Geschichte und den Streit um Rassismus und Kultur. Er entzündet sich an der Illustration «Huldigung der Kolonien». Die Allegorie des Malers Nicolaas van der Waay (1855-1936) auf einer Seite der Kutsche zeigt eine weiße Frau auf einem Thron, zu ihren Füßen knien schwarze halbnackte Menschen und bieten ihr Geschenke an.
Für die Restaurierung war die Kutsche in alle Einzelteile zerlegt worden. Experten erneuerten Karosserie, das kostbare Schnitzwerk, das vom Wurm zerfressene Holz, die feinen Stickereien auf den Polstern, die Illustrationen der Künstler.
Nur zu ganz besonderen Gelegenheiten wie Hochzeiten und Thronbesteigungen wird die Kutsche aus den königlichen Stallungen geholt. Und einmal im Jahr zur Eröffnung des parlamentarischen Jahres. Immer am dritten Dienstag im September fährt das Königspaar damit zum Parlament, die Kutsche gezogen von acht schwarzen Pferden. Zehntausende säumen dann die Straßen und jubeln. Doch für viele andere ist diese Kutsche wie ein rotes Tuch und daher Zielscheibe für Farbbeutel oder Rauchbomben.
Erbitterte Debatte
Linke Politiker und Aktivisten wollen, dass die Kutsche dauerhaft im Museum bleibt. «Eine gleichwertige Zukunft für alle ist nicht möglich, solange sich jemand herumkutschieren lässt in einer Kutsche, die weiße Herrscher und Ausbeuter verherrlicht», sagt etwa die Historikerin Patricia Gomes. Der Rechtspopulist Geert Wilders dagegen warnt vor der Vernichtung der niederländischen Identität. «Sie wollen die Niederlande abschaffen. Wir dürfen davor nicht in die Knie gehen.»
Die Debatte um Rassismus und Kultur wird seit Jahren erbittert geführt. Auseinandersetzungen um die schwarz angemalten Helfer des Nikolaus schlagen oft in Gewalt um. Um Denkmäler und Straßennamen von Kolonialherrschern wird gestritten.
Doch die Proteste schärfen auch die Sinne. Amsterdam setzt sich jetzt kritisch mit der eigenen Rolle in der Sklaverei auseinander. Zur Zeit zeigt das Rijksmuseum die bisher größte Ausstellung zur Sklavereigeschichte des Landes.
Als eines der letzten Länder der Welt hatte das Königreich 1863 die Sklaverei abgeschafft. Und doch – noch 35 Jahre später, 1898, wurde die königliche Kutsche mit fast nackten, untertänigen schwarzen Menschen illustriert. Sie war ein Geschenk der Bürger für die junge Königin Wilhelmina zu ihrer Thronbesteigung 1898. Amsterdamer aus dem ärmsten Viertel Jordaan hatten die Initiative ergriffen. Das Geschenk sollte Selbstbewusstsein und märchenhafte Pracht ausstrahlen – eine Goldene Kutsche wie der Habsburger Imperialwagen oder wie sie der bayerische König Ludwig II. bauen ließ.. Und das ausgerechnet in dem Land mit der Devise: «Sei normal, dann bist du schon verrückt genug».
«Sie wurde mit Crowdfunding finanziert», sagt Konservatorin Annemarie de Wildt. Viele sparten sich 25 Cents vom Munde ab. «Die Kutsche sollte ein Symbol für die Einheit sein», sagt de Wildt.
Der König schweigt
Ende des 19. Jahrhunderts war das Land gespalten, in Monarchisten und Sozialisten. Glaubensfragen schlugen tiefe Kluften. Zumindest auf der Kutsche sind alle miteinander in Harmonie verbunden. Holz und Elfenbein kamen aus den Kolonien im Osten. Die Autofabrik Spyker baute die Karosserie, Amsterdamer Waisenmädchen stickten 14 Millionen Kreuzstiche in die Polster.
Nun strahlt die Kutsche in altem Glanz – fantastisch präsentiert das Museum ihre Geschichte. Das Ende ist offen: Soll die Goldene Kutsche im Museum bleiben? Oder sollen sich König Willem-Alexander und Königin Máxima darin weiter kutschieren lassen?
Einer der führenden Vertreter der Black Lives Matter-Bewegung, Jerry Afriyie, sagt am Donnerstag: «Wir hoffen, dass der König weise ist, und dieses Symbol der Ungleichheit nicht mehr nutzen wird.» Doch die Rechtspopulisten im Parlament wetzen schon die Messer. Der König selbst schweigt bislang.