Die österreichische Schriftstellerin Friederike Mayröcker ist tot. Die Grand Dame der experimentellen Literatur starb im Alter von 96 Jahren am Freitag in Wien, wie der Suhrkamp Verlag in Berlin unter Berufung auf den engsten Umkreis Mayröckers mitteilte.
In ihrem rund 100 Titel umfassenden Werk, darunter Gedichte, Text-Collagen, Romane, Kinderbücher und Bühnentexte, hatte Mayröcker gängige Erzählmuster abgelehnt. Kritiker sahen in der Schriftstellerin eine «ausgefeilte Technikerin des Überblendens und Ausblendens, Sichtens und Schichtens, Zitierens und Plünderns». Ihr jüngster Band «da ich morgens und moosgrün. Ans Fenster trete» stand auf der Shortlist für den erst vor wenigen Tagen vergebenen Preis der Leipziger Buchmesse. Mayröcker zeigte darin noch einmal, welche Kraft in ihr und ihrer Sprache steckt.
Die Beziehung zu ihrem Werk, das in 70 Jahren unermüdlicher Arbeit entstanden ist, hat sie pointiert zusammengefasst: «Ich lebe ich schreibe.» 2013 veröffentlichte sie als 89-Jährige den tagebuchhaften Gedichtband «études», indem sie erneut Rätselhaftes und Erhellendes wie in einer Bastelei miteinander verband. 2014 folgte – in ähnlicher Machart – der Band «cahier».
Mayröcker hatte als 15-Jährige die Liebe zum Schreiben entdeckt. Sie war Tochter eines Lehrers und einer Hutmacherin – und musste zu ihrem Leidwesen aus Geldmangel im Elternhaus einen Brotberuf ausüben. 23 Jahre lang war sie Lehrerin für Englisch. Dann erst folgte sie ihrer eigentlichen Berufung.
Entscheidend war in den 1950er Jahren der Anschluss an die Wiener Literatenszene um Ingeborg Bachmann und die Begegnung mit dem Schriftsteller und Wortakrobaten Ernst Jandl (1925-2000). Bis zu seinem Tod waren sie ein kongeniales Paar.
1956 veröffentlichte sie unter dem Titel «Larifari» Prosaskizzen und Miniaturen. Der Durchbruch gelang ihr 1966 mit «Tod durch Musen». In der Folgezeit schrieb Mayröcker – teils zusammen mit Jandl – viele Hörspiele. In Jahrzehnten entstand ein Werk, das als «Gesammelte Prosa» 2001 zusammengefasst in fünf Bänden erschien. 2003 folgte «Gesammelte Gedichte».
Die Dichterin wurde unter anderem mit dem Georg-Trakl-Preis (1977), dem Hölderlin-Preis (1993), dem Lasker-Schüler-Preis (1996) und dem Büchner-Preis (2001) ausgezeichnet.