Das ZDF bringt mit seinem Fernsehprogramm häufig Krimis in deutsche Wohnzimmer. Aber auch was sich am Freitag in einer Mainzer Kongresshalle abspielt, mutet ein wenig wie ein Krimi an, obwohl es ursprünglich um eine Personalie geht.
Tischreihen sind aufgestellt und 60 Fernsehratsmitglieder kommen zusammen, um eine neue Intendantin oder einen neuen Intendanten zu wählen. Am Ende wird das Ganze drei Wahlgänge, mehrere Besprechungsrunden und einige Unterbrechungen brauchen, bis feststeht: ZDF-Programmchef Norbert Himmler übernimmt im nächsten Jahr das Amt von Thomas Bellut (66), der nicht mehr für eine dritte Amtszeit kandidiert hat.
Der 50-jährige Himmler hatte eine starke Gegenkandidatin mit ARD-Hauptstadtstudioleiterin Tina Hassel (57). Bis zur Wahl war aus dem Umfeld des Fernsehrates zu hören, dass es noch keinen eindeutigen Favoriten gebe. Das spiegelt sich in den ersten beiden Wahlgängen auch wider: In der ersten Runde kommt Himmler auf 34 und Hassel auf 24 Stimmen – es gibt zwei Enthaltungen. Die erforderliche Mehrheit liegt bei 36.
Im nächsten Anlauf holt Hassel auf: Mit 28 Stimmen ist der Abstand zu Himmler mit 32 etwas geschrumpft. Rechenspiele drängen sich auf: wo sind die 2 Enthaltungen hingewandert? Wer hat seine Position gewechselt? Zunächst steht gar nicht fest, ob es am Freitag überhaupt noch ein Ergebnis geben wird.
Erinnerungen kommen hoch an die Zeit, als Bellut-Vorgänger Markus Schächter im Jahr 2002 gewählt worden war. Dem Ganzen ging ein monatelanges Gerangel voran mit mehreren Kandidaten, Wahlgängen und Vertagungen.
Hassel, profilierte und bekannte ARD-Frau, bringt dann den Durchbruch und erhält dafür sehr viel Applaus und Anerkennung: Sie zieht ihre Kandidatur zurück. «Ich werde an dieser Stelle das Rennen beenden», sagt sie. Damit die Mitglieder für Himmler stimmen können. «Ich möchte im Sinne des öffentlich-rechtlichen Rundfunks und eines starken ZDFs, dass aus einer kleinen Mehrheit eine große Mehrheit wird.» Hassel sagt auch: «Eine Wahl mit echten Alternativen ist die Krone der Demokratie. Genau so ist es, und insofern reite ich sehr erhobenen Hauptes hier vom Hofe.»
Wenn Himmler im nächsten Frühjahr sein Amt antreten wird, hat er große Aufgaben vor sich. Das ZDF zählt mit rund 3500 festen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern zu den größten öffentlich-rechtlichen Sendeanstalten in Europa. Zuletzt war es der quotenstärkste Fernsehsender in Deutschland. Vorgänger Bellut hatte selbst viele Reformen angestoßen und saniert vielerorts. Den von den Ländern verordnete Sparkurs setzte er behutsam aber konsequent um, Hunderte Stellen wurden nach und nach abgebaut.
Im nächsten Jahr drohen dem Sender Programmeinsparungen. Hintergrund ist die von Sachsen-Anhalt blockierte Erhöhung des Rundfunkbeitrags. Eigentlich wäre der monatliche Beitrag für Haushalte monatlich von 17,50 Euro auf 18,36 Euro gestiegen. Der Fall liegt jetzt beim Bundesverfassungsgericht, ARD, ZDF und Deutschlandradio haben geklagt. Dem ZDF würden jährlich rund 150 Millionen Euro fehlen. Der Rundfunkbeitrag ist die Haupteinnahmequelle für den öffentlich-rechtlichen Rundfunk. Das ZDF nahm so im Jahr 2020 gut zwei Milliarden Euro ein.
Himmler wird auch sehr viel Energie in die weitere digitale Transformation der Medien stecken müssen. Unlängst kündigten ARD und ZDF an, dass die Mediatheken zwar eigenständig bleiben werden, aber sich zugleich noch viel stärker vernetzen.
Himmler kommt zugute, dass er das ZDF gut kennt. Sein gesamtes Berufsleben lang arbeitet er in unterschiedlichen Funktionen beim ZDF. Nach seiner Wahl sagt er: «Ich bin ein Kind des ZDF.» Als Programmdirektor sitzt er seit 2012 an einer entscheidenden Stelle.
Die Karriere Himmlers ist zum Beispiel verknüpft mit dem Aufbau des Spartensenders ZDFneo und damit auch mit Impulsen, ein jüngeres Publikum anzusprechen. Das ist seit Jahren ein Kernanliegen des öffentlich-rechtlichen Senders. Jan Böhmermanns ZDF-Karriere steht auch für Himmler. Branchenweit wird er für seine Arbeit geschätzt.
Die Expertise des gebürtigen Mainzers wird auch wichtig dafür sein, wie sich das ZDF als einer der größten Sender Europas im weltweiten Streaming-Konkurrenzmarkt positionieren wird.
Himmler wird den Job inmitten einer Zeit übernehmen, in der in der Politik, Medienbranche und in der Gesellschaft wieder sehr stark diskutiert wird, wie der öffentlich-rechtliche Rundfunk der Zukunft aussehen soll. Die Bundesländer, die für Medienpolitik in Deutschland wesentlich zuständig sind, legen in Staatsverträgen die grobe Struktur und den Auftrag der Sender fest. Um das Programm geht es darin nicht, mit Blick auf die Pressefreiheit. Die Länder streben eine Reform an, damit Angebote zum Beispiel flexibler auch im Netz gezeigt werden können. Das Ganze soll auch jüngere Leute ansprechen. Zugleich geht es weiter um Sparvorhaben im System der Öffentlich-Rechtlichen.