In der Schneiderei rattern die Nähmaschinen, in den Gängen hinter der Bühne stapeln sich Kartons, daneben Garderobenständer.
Oberammergau rüstet sich für die Passionsspiele. In einem halben Jahr, am 14. Mai 2022, soll Premiere sein – zwei Jahre später als geplant. Im März 2020 hatte Spielleiter Christian Stückl die berühmte Passion, die nur alle zehn Jahre stattfindet, wegen der Corona-Pandemie auf 2022 verschoben.
Noch im November sollen Chorproben beginnen, wegen Corona vorerst nur in kleiner Besetzung. Die textlichen Proben sollen im Januar starten.
Man sei sehr zuversichtlich für die Premiere, der Vorverkauf laufe gut, sagt eine Sprecherin der Passionsspiele. Rund 70 Prozent der Karten für die rund 100 Vorstellungen seien verkauft. «Im Moment gehen wir davon aus, dass wir alle Plätze belegen können. Das Positive ist, dass wir eine gute Belüftung haben.» Rund 4500 Plätze hat das Freilufttheater. «Wir sind zuversichtlich, dass die Premiere nächstes Jahr stattfinden kann.» Die Sicherheit für alle habe höchste Priorität. «Wir arbeiten an Sicherheits-und Hygiene-Konzepten und sind laufend mit den zuständigen Behörden in Kontakt.»
Passionsspiele gehen auf Pest-Legende zurück
Die Passion geht auf ein fast 400 Jahre altes Gelübde zurück. Die Pest wütete in Europa – und raffte schließlich auch in dem Ort am Fuß der Berge die Menschen dahin. Im Jahr 1633 versprachen die Oberammergauer, alle zehn Jahre die Passion aufzuführen, wenn niemand mehr an der Seuche sterbe – was der Legende nach eintrat.
Auf den Straßen des oberbayerischen Ortes ist zu sehen, dass es auf die Passion zugeht. Wallende Haare und Bärte prägen das Bild. Alle Mitspieler – bis auf Römer und Engel – müssen die Haare wachsen lassen. So will es die Tradition. Seit Aschermittwoch gilt der Haar- und Barterlass: Hände weg von Schere und Rasiermesser. Bei den Bärten gab es dieses Mal coronabedingt Kulanz: Die FFP2-Maske sollte auch bei den Herren gut sitzen, Bartwuchs blieb somit zunächst freiwillig.
Rund 2100 Oberammergauer wollen an der Passion mitwirken, fast die Hälfte der gut 5000 Einwohner und Einwohnerinnen. Manche starteten schon im Februar mit einer Mähne – wegen der Pandemie hatten die Friseure geschlossen.
Derzeit werden die im Frühjahr 2020 säuberlich verstauten Requisiten und Bühnenbilder wieder ausgepackt: Das Goldene Kalb, die Löwen für die Darstellung des Daniel in der Löwengrube, zahlreiche Einzelteile. «Alles wird gesichtet: Ist alles ok?», erläutert die Sprecherin. «Jedes einzelne Kostüm muss noch einmal in die Hand genommen werden, es gibt für jeden einzelnen Mitspieler Anproben.»
Mancher hat vielleicht in der Corona-Zeit zugelegt, andere haben womöglich das lang angestrebte Fastenziel erreicht. Für Kinder und die Darsteller des Volkes, die Hauptgruppe der Mitspieler, gelten die Konfektionsgrößen – doch auch hier müsse angepasst werden.
Demnächst wird Spielleiter Stückl sich verstärkt wieder an den Text setzen. Diese Arbeit ende immer erst kurz vor der Premiere, sagte er einmal. «Der Text ist nicht ein feststehendes Konstrukt.»
Stückl inszeniert die Passion zum vierten Mal. Der Ehrenbürger Oberammergaus, der auch Intendant des Münchner Volkstheaters ist, hat das Laienspiel vom Leben, Sterben und der Auferstehung Jesu in vieler Hinsicht erneuert. Insbesondere befreite er es von antisemitischen Zügen. Verheiratete Frauen dürfen heute die Maria spielen, bis 1990 ein Tabu. Gleich in Stückls erster Passion bekam ein Protestant eine Hauptrolle. Auch zuletzt setzte er mit seiner Besetzung ein Zeichen: Erstmals haben zwei Oberammergauer muslimischen Glaubens Hauptrollen.
Jesus-Darsteller: «90 Prozent der Texte nicht mehr parat»
42 Spieler verkörpern die 21 Hauptrollen, die doppelt besetzt sind. Fast alle haben ihre Rollen behalten, die Stückl bereits 2018 vergeben hatte. Obwohl sie schon geprobt hatten, werden sie nun wieder kräftig pauken müssen. «Ich glaube, ich habe auch 90 Prozent der schon gelernten Texte nicht mehr parat», sagte Jesus-Darsteller Frederik Mayet schon im Januar. «Wir werden probentechnisch gesehen nicht da anfangen, wo wir aufgehört haben, sondern wieder von vorn beginnen», meinte damals auch der zweite Jesus Rochus Rückel.
Mit auf der Bühne: Pferde, Ziegen, Schafe und Tauben. Extra nach Oberammergau geholt werden zwei Kamele und der Esel Sancho. Er hat die tierische Hauptrolle: Der katalanische Riesenesel soll Jesus beim Einzug in Jerusalem tragen. Proteste von Tierschützern, die fanden, Jesus solle zeitgemäß auf dem E-Roller einziehen, verliefen im Sande.