Am Sonntag geht der zweite Film mit deutscher Regie ins Rennen um den Goldenen Bären. Nicolette Krebitz stellt ihr Projekt «AEIOU – Das schnelle Alphabet der Liebe» vor. Der Film erzählt eine Liebesgeschichte zwischen einer älteren Schauspielerin (Sophie Rois) und einem jungen Mann, der ihr die Tasche klaut und später Sprechunterricht bei ihr nimmt.
Im Wettbewerb läuft unter anderem «Les passagers de la nuit» mit der französischen Schauspielerin Charlotte Gainsbourg. Premiere hat auch «Return to Dust» des chinesischen Regisseurs Li Ruijun. Laut der Berlinale hatte das Filmteam jedoch «organisatorische Reiseprobleme» und kann aufgrund befürchteter Komplikationen bei der Rückreise nicht in Berlin sein.
Publikum trotz Pandemie
Außerhalb des Wettbewerbs erwartet werden US-Schauspielerin Megan Fox und Rapper Machine Gun Kelly, der mit bürgerlichem Namen Colson Baker heißt. Die beiden haben sich kürzlich verlobt. Sie spielen nun im neuen Film «Taurus» von Regisseur Tim Sutton mit, der in der Panorama-Reihe gezeigt wird. Die Berlinale findet trotz Pandemie wieder mit Kinopublikum statt, mit Corona-Auflagen, Maskenpflicht und vielen freien Plätzen.
Richtige Festivalstimmung kam am Samstagabend auf: Die britische Oscarpreisträgerin Emma Thompson (im pinken Glitzerjackett) riss das Publikum mit der Gesellschaftskomödie «Good Luck to You, Leo Grande» mit. Es geht um eine verwitwete Lehrerin, die die Dienste eines jungen Sexarbeiters (Daryl McCormack) bucht, und um den weiblichen Blick auf Lust und Sexualität, das Verhältnis zum eigenen Körper.
Bei der Pressekonferenz machte Thompson deutlich, dass sie da noch viel Gesprächsbedarf sehe. «Es ist nicht wichtig, dass wir Lust haben», kritisierte sie. Das werde nicht als wichtig erachtet. Ob jemand die Frauen im Raum schon einmal gefragt habe, ob sie richtig Lust empfunden hätten?
Ihre Figur im Film, die pensionierte Lehrerin Nancy, hatte noch nie einen Orgasmus. Das sei «enorm realistisch», fürchte sie, sagte Thompson. Sie sei sicher, dass sie schon Leute getroffen habe, bei denen es so sei. Die 62-Jährige findet, dass mehr über Sexualität und Intimität geredet werden sollte. «Natürlich, genau das ist der Punkt des Films.»
Einen Tag ganz ohne Kleider
Gedreht wurde das Kammerspiel an 19 Tagen, erzählte Thompson. Zur Vorbereitung ließ Regisseurin Sophie Hyde die Darsteller die Umrisse ihrer Körper malen und Teile markieren, die sie mögen oder nicht. Einen Tag hätten sie zur Einstimmung ganz ohne Kleider verbracht. «Ihr seid doch alle deutsch, ihr seid doch dran gewöhnt», scherzte Thompson. Diese Übungen hätten sehr geholfen. «Und offensichtlich ist Daryl sehr schön und hat einen Körper wie ein verdammtes Einhorn.»
Bei der anschließenden Vorstellung im Friedrichstadt-Palast amüsierte sich das Publikum über den britischen Witz und das mitreißende Duo auf der Leinwand. Thompson empfahl danach den Zuschauern, es wie Nancy im Film zu machen, die sich nach dem Lusterlebnis nackt vor den Spiegel stellt – «guckt euch an, ohne Bewertung. Das ist sehr schwer.»