Ein wenig Rouge auf die Wangen, die funkelnde Krone auf den weißen Locken zurechtgerückt und schon ist die Queen bereit fürs «Jubilee» – zumindest ihr Abbild im Wachsfigurenkabinett Madame Tussauds steht frisch aufgehübscht an ihrem Platz.
Ob die echte, mittlerweile 96 Jahre alte Queen Elizabeth II. in ihren privaten Gemächern auch schon in den Startlöchern für die Party des Jahrzehnts steht oder noch ihre Kräfte sammelt, lässt sich nur spekulieren. Ab Donnerstag (2.6.) will ihr Königreich vier Tage lang feiern, dass «Her Majesty» seit 70 Jahren auf dem Thron sitzt. Rund um den Buckingham-Palast – dem offiziellen Zentrum ihrer Regentschaft – geht es bereits zu wie in einem Wespennest.
Dutzende mobile Toiletten werden auf Lastwagen von A nach B gefahren, Helfer in neonfarbener Warnbekleidung laufen geschäftig hin und her, selbst an Baustellengerüsten flattern die rot-blau-weißen Fähnchen. Im St. James‘ Park nebenan sind riesige Stromgeneratoren aufgebaut, die dem viertägigen Spektakel die notwendige Power geben sollen. Zwei Teenager, die nicht wie die typischen Monarchisten wirken, ziehen sich ihre Kapuzen über den Kopf und machen ein Selfie vor den überdimensionalen «Union Jacks», also den britischen Flaggen, die links und rechts den breiten Boulevard vor dem Palast säumen.
Wird die Queen sich zeigen?
Manuela Lassau ist mit ihren Kindern aus Deutschland gekommen und fasziniert davon, wie sich die «Mall», über die beim «Trooping the Colour» Tausende Soldaten marschieren, zur Partymeile verwandelt. So richtig begreifen könne man die Bedeutung wohl nur als Erwachsene, wenn man mitbekommen habe, wie lange die Queen schon an der Spitze des Königreichs stehe, sagt sie. «Aber ein bisschen Sorgen macht man sich ja schon langsam, dass es bald zu Ende geht.»
Der Monarchie-Experte Craig Prescott von der Universität Bangor glaubt, dass genau das auch die besondere Bedeutung des anstehenden Jubiläums ausmacht. Vielen Menschen sei bewusst, dass es wahrscheinlich das letzte «Jubilee» der Queen sein werde, womöglich ihr «letzter großer Moment», sagt er im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur. Deshalb sei auch ihre Gesundheit und die Frage, bei welchen Events sie sich persönlichen zeigen werde, für viele Menschen sehr im Fokus. Das berge durchaus Potenzial für Enttäuschungen.
Die neue Strategie des Buckingham-Palastes ist daher: erst ganz kurz vorher bekanntgeben, ob die Queen kommt oder nicht, um keine Erwartungen zu enttäuschen. Doch in diesem Fall dürfte das wenig helfen. Der traditionelle Auftritt auf dem Balkon nach der Geburtstagsparade und ein Gottesdienst in der St. Paul’s Cathedral gelten als Termine, bei denen mit der Monarchin fest gerechnet wird.
Feiern in der Krise
Die seit langem geplanten Feierlichkeiten fallen in eine Zeit, in der Großbritannien viele Kämpfe gleichzeitig auszufechten hat. Die britische Regierung hat sich selbst auferlegt, in der westlichen Reaktion auf Russlands Krieg in der Ukraine eine prominente Rolle einzunehmen. Gleichzeitig schießen die Energie- und Lebensmittelpreise in der Heimat in ungekannte Höhen und stellen viele Briten vor die Frage, ob sie lieber frieren oder hungern sollten. In einer Umfrage gaben gerade fast 40 Prozent der befragten Bürgerinnen und Bürger an, die Monarchie sei ein Luxus, den sich das Land eigentlich gar nicht leisten könne. Und dann wäre da noch Skandal-Premier Boris Johnson, dem ein Untersuchungsbericht zur «Partygate»-Affäre kürzlich Führungsversagen und schwere Verfehlungen in der Downing Street vorwirft.
«Eine so riesige Party in einer schwierigen Zeit kann sich schwierig anfühlen», gibt Experte Prescott zu. Andererseits könne das Queen-Jubiläum auch gerade deshalb ein Anlass sein, zusammenzukommen und Freude zu teilen. Großbritannien habe keine traditionellen Feiertage wie etwa Thanksgiving in den USA. «Wir sind abhängig von solchen Jubiläen, um unsere großen nationalen Momente zu feiern.»
Für diese großen Momente überlassen die Organisatoren nichts dem Zufall. Alle, die im Londoner Zentrum von A nach B kommen wollen, müssen seit Wochen Umwege in Kauf nehmen. «Geschlossen vom 3. Mai bis Mitte Juni» steht auf gelben Hinweisschildern an mehreren Straßen und Kreuzungen. Seit Monaten hört man rund um die Schlossanlagen Marschmusik, Pauken und das Geklapper von Pferdehufen. Wo alles perfekt sein soll, ist viel Übung notwendig.
Sperrstunde in Pubs verschoben
In den beliebten britischen Pubs wittert man nach der langen pandemischen Flaute ein Rekordgeschäft: Weil die Sperrstunde zu Ehren der Queen während der Feierlichkeiten großzügig nach hinten geschoben wird, könnten 90 Millionen Pints über die Theken gehen, schätzt der Branchenverband Beer and Pub Association.
Während sich die meisten Britinnen und Briten über einen extra «Jubilee»-Feiertag freuen können, bedeutet das große Fest für andere also vor allem: sehr viel Arbeit. Ein Security-Mann hat schon gut eine Woche vor Beginn alle Hände voll zu tun, nimmt das aber gelassen. «Es geht schon», sagt er, während er die Sicherheitsabsperrung vor dem Palast im Auge behält und ein Fahrzeug einweist. «Hauptsache, die Queen ist happy.»