Für die nächsten 100 Tage wird Kassel das Zentrum der Kunstwelt: Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier eröffnet am Samstag die documenta fifteen in Kassel.
14 Kollektive, Organisationen und Institutionen sowie 54 Künstlerinnen und Künstler präsentieren ihre Werke bis zum 25. September auf der neben der Biennale in Venedig weltweit bedeutsamsten Ausstellung zeitgenössischer Kunst.
Nach der Begrüßung im Museum Fridericianum wird Steinmeier die documenta-Halle besuchen und dort eine Rede halten. Der Bundespräsident hatte am Donnerstag während eines Staatsbesuchs in Indonesien angekündigt, in seiner Ansprache mit Blick auf die Antisemitismus-Debatte im Vorfeld der Schau die Grenzen der Kunstfreiheit aufzeigen zu wollen. Dem indonesischen Kuratorenkollektiv Ruangrupa war vorgeworfen worden, auch Organisationen in die documenta fifteen einzubinden, die den kulturellen Boykott Israels unterstützten oder antisemitisch seien.
«Kunst darf und muss anstößig sein»
«Völlig klar ist: Kunst ist streitfrei nicht zu haben. Kunst darf und muss anstößig sein, muss Impulse geben in die Gesellschaft hinein. Kunst muss Dialoge und Diskussionen auslösen», hatte Steinmeier am Donnerstag betont. «Aber ebenso klar ist, dass Debatten, Beiträge und die Botschaften auch Grenzen haben können. Über diese Grenzen wird zu sprechen sein.»
Auch Hessens Ministerpräsident Boris Rhein (CDU) und der Botschafter der Republik Indonesien, Arif Havas Oegroseno, haben sich zur Eröffnung angekündigt.
Die documenta gibt es seit 1955 in Kassel. In diesem Jahr ist die 100-Tage-Ausstellung über mehr als 30 Standorte in den Kasseler Stadtteilen Mitte, Nordstadt und Bettenhausen sowie an und auf der Fulda mit angrenzenden Arealen wie Karlsaue oder Hafen verteilt. Neben den klassischen Spielorten wie dem Museum Fridericianum und der documenta-Halle sind darunter ein Bootsverleih, ein ehemaliges Firmengelände sowie ein altes Hallenbad. Insgesamt wird laut Generaldirektorin Sabine Schormann eine Fläche von 30 000 Quadratmetern bespielt.
Kuratiert von indonesischem Künstlerkollektiv
Die diesjährige documenta repräsentiert den Globalen Süden. Erstmals wird die Schau von einem indonesischen Künstlerkollektiv kuratiert. Im Mittelpunkt steht nicht das Werk, sondern Kunst als kollektiver Prozess. Ruangrupas Konzept fußt auf der indonesischen Lumbung-Architektur. «lumbung» ist in dem Inselstaat das Wort für eine gemeinschaftlich genutzte Reisscheune, in der die überschüssige Ernte zum Wohle der Gemeinschaft gelagert wird. Diese Tradition des Teilens will das Team auf die Weltkunstausstellung in Kassel übertragen.
Die Besucherinnen und Besucher erwarte eine vielfältige, experimentelle, auf kollektiven Prozessen aufbauende Schau, kündigte Generaldirektorin Schormann kürzlich an. «Man wird die documenta fifteen als einen sinnlichen Ausstellungsbesuch mit – unter anderem – Malerei, Installationen, Filmen oder auch Musik und Performance erleben können.»
Zur 15. Ausgabe der documenta werden bis zu eine Million Besucher erwartet. Das Tagesticket kostet 27 Euro.