Im Streit um als antisemitisch kritisierte Kunstwerke stehen sich Auffassungen des Präsidenten der Deutsch-Israelischen Gesellschaft (DIG), Volker Beck, und der documenta-Verantwortlichen weiterhin unversöhnlich gegenüber.
Nach einem Besuch der Kunstausstellung in Kassel erneuerte Beck seine Kritik: «Die documenta fifteen ist wirklich ein Epochenwechsel in der Geschichte des deutschen Nachkriegs-Antisemitismus», sagte er. Bislang habe man auf Antisemitismus-Skandale reagiert, indem man sich davon distanziert habe und der Antisemitismus gesellschaftlich geächtet worden sei. «Doch hier findet das ausdrücklich nicht statt.»
Die documenta hatte zuvor mitgeteilt, einige kritisierte Darstellungen zielten nicht auf Juden oder Jüdinnen als Einzelpersonen oder als Gemeinschaft ab, sondern kritisierten die israelische Armee. Zudem seien die Bilder mit einer Einordnung versehen worden.
Antisemitismus-Vorwürfe gegen documenta
Bereits seit Monaten kursieren Antisemitismus-Vorwürfe gegen die documenta. Kurz nach der Eröffnung der Ausstellung war ein Banner mit judenfeindlichen Motiven entdeckt und abgebaut worden.
Beck hatte die Vorgänge schon zuvor massiv kritisiert und erklärte: «Nach dieser documenta muss man sagen: Antisemitismus hat einen Platz in Kassel, Antisemitismus hat einen Platz auf dieser documenta.» Der DIG-Präsident sprach sich erneut für einen Umzug der Kunstschau weg von Kassel aus. Das könne ein Zeichen für einen Neuanfang sein.
Beck hob er bei seinem Besuch hervor, dass es in der Ausstellung interessante Exponate geben, aber eben auch «unbewältigt Problematisches». Diese Werke müssten entweder entfernt oder kritisch eingeordnet werden. Das betreffe etwa das Zeigen von Archivmaterial und Filmen der japanischen Roten Armee Fraktion (RAF), was antisemitischen Terror verharmlose und verherrliche.
Die documenta sei an sich selbst gescheitert, weil sie «auf die Probleme, die ja nun mal vorkommen können, nicht angemessen reagiert hat», sagte der Grünen-Politiker. Die Verantwortung dafür sieht Beck bei Kassels Oberbürgermeister Christian Geselle (SPD) und Hessens Kunstministerin Angela Dorn (Grüne), «da sie im Aufsichtsrat nicht dafür gesorgt haben, dass hier etwas geschieht». Seiner Ansicht nach sollten beide aus dem dem Gremium abgezogen werden, «da gehören Leute hin, die gesellschaftliche Verantwortung tragen können».
Einordnung des Kollektivs
Seit Dienstag liegt den als antisemitisch kritisierten Darstellungen in einer auf der documenta fifteen ausgestellten Broschüre eine Einordnung des ausstellenden Kollektivs bei. Darin weist das Kollektiv «Archives des luttes des femmes en Algérie» («Archive der Frauenkämpfe in Algerien») die erhobenen Vorwürfe entschieden zurück.
«Wir bedauern, dass diese Bilder auf Unverständnis stoßen und Gegenstand von Fehlinterpretationen seitens der Medien und Besucher:innen geworden sind, die in ihnen antisemitische Darstellungen zu erkennen meinen», schreibt das Kollektiv. Die in der Broschüre «Presence des Femmes» enthaltenen Zeichnungen zeigen unter anderem Soldaten mit Davidstern am Helm als Roboter mit entblößten Zähnen. Beck erklärte dagegen, dass er die Kontextualisierung für völlig misslungen halte.
Unterdessen kündigte die documenta an, dass noch am Dienstagabend Monitore an einem zentralen Punkt der Schau aufgestellt werden sollten, auf denen in Englisch und Deutsch eine Erklärung zum Umgang mit der Kritik zu lesen sein werde.