Theaterkarten werden nach Einschätzung des Deutschen Bühnenvereins mittlerweile oft kurzfristiger gekauft als vor der Pandemie. «Was zwei Trends zu sein scheinen, die sich doch bundesweit beobachten lassen: dass vor allen Dingen älteres Publikum ausbleibt und dass die Menschen kurzfristig kaufen», sagte die Geschäftsführende Direktorin Claudia Schmitz der Deutschen Presse-Agentur. «Also dass das Abonnement, das seit Jahren schon rückgängig ist, auch weiter rückläufig ist.»
Das scheine ihr nachvollziehbar, weil ein Risiko bleibe, sich jetzt beispielsweise eine Karte für November zu kaufen. Man wisse nicht, wie es einem dann gehe und wie die Rahmenbedingungen beim Theater dann aussähen. In der zurückliegenden Spielzeit seien viele Vorstellungen kurzfristig geändert oder abgesagt worden, weil es viele Coronafälle in Ensembles und technischen Teams gegeben habe.
Auch Theater wie das Berliner Ensemble merken, dass Tickets oft mit weniger Vorlauf gebucht werden. Auch sie stellten fest, dass das Publikum seit der letzten Spielzeit Tickets kurzfristiger kaufe, teilte Intendant Oliver Reese mit. «Dennoch können wir mit der Auslastung der letzten Saison sehr zufrieden sein.»
Die Oper Frankfurt verlor etwa 5000 Abonnenten
Ein Rückgang sei bei den Abos festzustellen. «Die Verkäufe unserer Premieren- und Wahlabonnements haben sich im Laufe der Pandemie halbiert», teilte Reese mit. Allerdings verkauft das Theater nur einen kleineren Teil der Karten über Abonnements, der Rückgang falle nicht so sehr ins Gewicht. Auch die Oper Frankfurt hatte im Mai berichtet, in der Coronazeit, in der nur beschränkt gespielt werden konnte, etwa 5000 von rund 12.000 Abonnenten verloren zu haben.
Dass sich das Publikum bisher erst später festlegen will, beobachtet auch Martin Woelffer von den Berliner Kudammbühnen. «Es wird sehr spontan gekauft, dann aber doch zügig», sagte er der dpa im August. Darauf könne man sich aber nicht ausruhen. Finanziell bedeutet das spontanere Buchungsverhalten der Menschen für die Theater mehr Unsicherheit: «Ob tatsächlich übermorgen die Leute wirklich kommen und Karten kaufen, wissen wir nicht.»
Im Frühjahr war unter dem Schlagwort #publikumsschwund über die Entwicklung der Zuschauerzahlen in Theatern diskutiert worden. Schmitz vom Bühnenverein sagte, man müsse differenziert hinschauen. «Die Theater kommen jetzt gerade aus den Theaterferien zurück.» Jetzt laufe der Vorverkauf für die kommende Saison. «Und aus meiner Erfahrung aus dem Theaterbetrieb kann ich sagen, dass die Sommermonate nie die Monate waren, wo an der Kasse wahnsinnig viel los war.» Da seien eben auch viele Menschen in den Ferien.
«Deswegen jetzt zu sagen „Wie läuft denn euer Vorverkauf und was schließen wir daraus? Und hat das jetzt mit der Pandemie zu tun oder mit der Energiekrise?“ finde ich schwierig.» Es gebe noch keine bundesweiten belastbaren Zahlen. Die Rückmeldungen aus der zurückligenden Spielzeit seien sehr unterschiedlich.
«Es gibt Häuser, die sagen: „Bei uns läuft es noch nicht richtig gut, wir vermissen Publikum.“», sagte Schmitz. «Es gibt Häuser, die sagen: „Wir wissen gar nicht, wovon ihr redet. Bei uns läuft es super.“ Und das sind zum Teil auch kleinere Häuser. Also man kann nicht sagen: „Es sind die großen Tanker, bei denen es gut läuft und die kleinen, bei denen es nicht gut läuft.“ Es ist auch regional ganz unterschiedlich.» Sie sei optimistisch. «Ich glaube nach wie vor an diese Orte der Begegnung und des gemeinsamen Diskurses.»
Auch Woelffer von den Kudammbühnen sagte, man müsse die Entwicklung differenziert betrachten. Wenn man sich die nackten Auslastungszahlen anschaue – und einen Hit wie «Mord im Orientexpress» dazu nehme – seien sie fast wieder auf Vor-Corona-Niveau.
Sein Theater profitiert davon, dass es Katharina Thalbachs Inszenierung von «Mord im Orientexpress» zeigen kann. Gibt es im Theater den Trend zu Blockbustern? Das glaube er nicht, sagte Woelffer. Allerdings gingen die Menschen in diesen unsicheren Zeiten, in denen sie nicht wüssten, ob sie ihr Geld ausgeben oder doch später in die Gasrechnung investieren müssten, im Augenblick eher in Sachen, die mindestens drei Freunde ihnen empfohlen hätten.