Mit royalem Besuch und Appellen für einen stärkeren demokratischen Diskurs ist in Frankfurt die diesjährige Buchmesse gestartet worden. Zur feierlichen Eröffnung am Dienstagabend kamen das spanische Königspaar und Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier an den Main.
«Es ist ein Privileg, hier sein zu dürfen», sagte König Felipe VI. Er und seine Frau, Königin Letizia, repräsentieren das diesjährige Gastland. Es sei eine Ehre, dass Spanien erneut eingeladen sei, seine Literatur, seine Sprachen und seine «sprühende Kreativität» zu zeigen – in diesem «europäischen und kulturellen Schaufenster».
Derweil betonten die Macher der Buchmesse, dass die weltgrößte Bücherschau in Zeiten der Krise und Instabilität ein Ort des Diskurses und Miteinanders sein soll. «Präsenz hilft gegen Polarisierung», sagte Direktor Juergen Boos.
«Gegenmodell zu einer Echokammer»
Die gesellschaftlichen Entwicklungen und Spannungen abzubilden, sei eine der Kernaufgaben der Branche. Nur so könne man einer vergifteten Debattenkultur entgegenwirken, den demokratischen Diskurs stärken und Diversität eine Bühne geben. Und, so Boos: «Die Buchmesse ist das Gegenmodell zu einer Echokammer.»
Karin Schmidt-Friderichs, Vorsteherin des Börsenvereins des Deutschen Buchhandels, sprach von einem «Kulturereignis für Völkerverständigung». In einer Welt, in der immer tiefere Gräben entstünden, werde Raum für friedlichen demokratischen Austausch geschaffen.
Die 74. Frankfurter Buchmesse findet nach zwei Jahren mit pandemiebedingten Einschränkungen wieder ohne größere Auflagen statt. Angemeldet sind den Angaben zufolge rund 4000 Aussteller aus 95 Ländern.
In zahlreichen Debatten, Vorträgen und Lesungen geht es in dieser Woche um aktuelle politische Themen wie den russischen Angriffskrieg auf die Ukraine oder die Lage im Iran und in Afghanistan. So ist beispielsweise der ukrainische Präsident Wolodymyr Selenskyj bei einer Veranstaltung am Donnerstag online zugeschaltet. Seine Frau Olena Selenska wird bei einem Gespräch am Samstag per Internet dabei sein.
Friedenspreis für den Ukrainer Serhij Zhadan
Steinmeier rief am Dienstagabend zur Solidarität mit der ukrainischen Buchbranche auf. «Die Zerstörung von Bibliotheken, von Verlagen, die schweren Folgen, die der Krieg für das gesamte Buch- und Verlagswesen in der Ukraine hat, das darf uns nicht nur empören, das muss uns alle zur Hilfe und zur Unterstützung motivieren», sagte der Bundespräsident. Die materielle Hilfe, die dort dringend gebraucht werde, sei in einem sehr tiefen Sinn auch ein Dienst an der Wahrheit, «ein Akt im Kampf gegen die mörderische Lüge» und im Kampf für die Aufklärung.
In den nächsten Tagen werden auch Bundesinnenministerin Nancy Faeser (SPD), Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne), die Schauspielerin Diane Kruger und natürlich zahlreiche Autorinnen und Autoren aus aller Welt erwartet, darunter Donna Leon. Sie will aber keinen neuen Krimi vorstellen, sondern über ihr Leben und ihre Arbeit berichten. Die Messe endet am Sonntag mit der Verleihung des Friedenspreises des Deutschen Buchhandels an den ukrainischen Schriftsteller Serhij Zhadan.
Spanien war schon einmal vor 31 Jahren Ehrengast der Messe gewesen. «Das heutige Spanien hat nicht mehr viel gemein mit dem damaligen Spanien», sagte König Felipe. Besonders der EU-Eintritt 1986 habe zu tiefgreifenden Veränderungen geführt. Spanien sei ein starkes und offenes Land, das in der Lage sei, sich den Herausforderungen zu stellen. In Zeiten des Wandels gebe es etwas, das sich nicht ändere: die Wertschätzung für Bücher. Sie sei in der spanischen Gesellschaft tief verwurzelt, betonte der König.
Druck- und Papierindustrie leiden unter steigenden Preisen
Vorsteherin Schmidt-Friderichs warf am Dienstag auch einen Blick auf die schwierige Lage der Buchbranche. «Steigende Energiepreise belasten nicht nur jedes Unternehmen, sie ziehen auch extreme Preissteigerungen in der Druck- und Papierindustrie nach sich», sagte sie. «Wenn ein Verlag nun für die Produktion eines Buches wesentlich mehr aufwenden muss, dann kann es bedeuten, dass er es sich schlicht nicht leisten kann.» Und wenn eine Buchhandlung eine Steigerung von 300 Prozent bei den Energiekosten verkraften müsse, dann könne sie das in Existenznot bringen.
In den ersten neun Monaten lag der Buchmarkt – über alle Vertriebswege hinweg – mit 1,4 Prozent unter dem Vorjahreszeitraum. Im Vergleich mit dem gleichen Zeitraum vor Corona liegt er 2,0 Prozent zurück. Noch schlechter ist die Lage bei Buchhandlungen vor Ort: Der stationäre Sortimentsbuchhandel machte in den ersten neun Monaten 2022 im Vergleich zur Zeit vor Corona 8,7 Prozent weniger Umsatz.
Ein Schwerpunkt in diesem Jahr ist das Thema Übersetzung: «Mindestens die Hälfte der Bücher, die mir in meinem Leben am meisten bedeutet haben, wurden in Sprachen geschrieben, die ich selbst nicht lesen kann», sagte der britisch-pakistanische Schriftsteller Mohsin Hamid am Dienstag. Ohne Übersetzerinnen und Übersetzer wäre er weder der Leser noch der Schriftsteller, der er heute sei.