Die Hamburgerin Zoe Wees ist ein Phänomen. Innerhalb scheinbar kurzer Zeit ist die 20-Jährige die Stimme ihrer Generation geworden. Millionenfach werden ihre Lieder abgerufen, ihre Videos angeklickt. Schon mit ihrer ersten Single «Control» räumte sie in mehreren Ländern die Goldene Schallplatte ab.
Und ihr Erfolg beschränkt sich längst nicht nur auf Europa. In den USA wurde sie schon von James Corden und Jimmy Fallon in deren Late-Night-Shows eingeladen und durfte als erste deutsche Sängerin bei den American Music Awards auftreten, einer der wichtigsten Musikpreisverleihungen der Branche. Mit dem plötzlichen Hype – noch dazu mitten in der Corona-Zeit – habe sie nicht gerechnet, sagt Wees der Deutschen Presse-Agentur in Hamburg.
«Der hat mich auf jeden Fall überrascht, weil das die erste Single war. Also normalerweise ist es so, dass man erst mal ein bisschen was macht und ein paar Songs droppt und dann irgendwann dazu kommt, dass vielleicht irgendwelche Leute das hören. Aber das war ja der erste Song direkt. Das war schon echt krass.» Zehn Lieder hat sie mittlerweile veröffentlicht.
Jede Menge Klicks und Follower
Am Anfang war vor allem das Internet ihre Bühne. Auf Instagram, Tiktok, Facebook und Youtube veröffentlicht sie die von ihr geschriebenen und gesungenen Songs, sammelt jede Menge Klicks und Follower. Und arbeitet sich damit auf die echten Bühnen der Musikwelt und in das Bewusstsein der großen Marken. Sie tritt beim Deutschen Radiopreis auf, singt beim Finale von «Germany’s Next Topmodel», wird das Gesicht einer übergroßen H&M-Werbung und der Weihnachtskampagne von Amazon Music.
Rückblickend sagt die im Gespräch fast schon schüchtern wirkende Hamburgerin dazu: «Es war auf jeden Fall sehr krass. Es war sehr viel. Es war schön. Es war auch nicht so schön.» Dieses Jahr habe ihr Leben ein bisschen verändert. Sie selbst sei aber die gleiche geblieben. Der Stress habe ihr dennoch ordentlich zugesetzt, gibt sie zu. Diese Seite des Berühmtwerdens habe sie ziemlich überrascht.
Obwohl die Senkrechtstarterin für viele quasi über Nacht auf der Bildfläche erschienen war, kommt der Erfolg nicht von ungefähr. Wees hat schon früh ihren Fokus auf die Musik gelegt. Seit sie 12 war, hatte sie Gesangsunterricht. In der Schule verbrachte sie jede freie Minute am Klavier. Mit 14 machte sie bei der Castingshow «The Voice Kids» mit und kam bis zu dritten Runde.
Und auch danach blieb sie dran. Sang Cover-Songs und stellte sie online. Ihre erste selbst geschriebene Single «Control» dreht sich um ihre epileptischen Anfälle während der Schulzeit. Darin beschreibt sie, was das mit ihr gemacht hat, und bedankt sich bei der Lehrerin, die ihr in dieser Zeit auch im wahrsten Sinne des Wortes die Hand gehalten hat. Das Lied markiert ihren Durchbruch.
Die Anfälle sind kein Thema mehr. Doch Themen für ihre Lieder hat sie auch so genug. Wees ist bei ihrer alleinerziehenden Mutter aufgewachsen, ihren Vater lernte sie erst mit 16 Jahren kennen. Und das war kein durchweg schönes Erlebnis, wie sie oft in Interviews betont. Auch aus dieser Erfahrung macht sie ein Lied. «Daddys Eyes» geht in den Streamingdiensten genauso steil wie zuvor «Control».
Zahlreiche Medien beschreiben die junge Frau mit den tiefgründigen Liedern, der kratzig-tiefen Stimme und dem weltweiten Erfolg bereits als Superstar und gar Weltstar. Dennoch war sie bei ihrer Europatour noch auf eher kleinen Bühnen unterwegs. «Jeder fängt klein an, auch live. Viel hat sich 2020 und 2021 getan. Trotzdem fängt man halt klein an. Und genau wie jeder Künstler, der auch Clubs gespielt hat, wächst man dann mit dem Publikum zusammen.»
Nur nicht allein sein
Dabei ist ihr die Nähe zu den Fans über Social Media im Grunde schon längst gelungen. Sie wird gern als die «Stimme ihrer Generation» bezeichnet. «Ich glaube, das passt. Weil ich viele Themen anspreche, die meine Generation gerade durchmacht. Jeder irgendwie.» Nur so könne sie sich auch den Erfolg in den USA erklären. Kontakte dorthin habe sie vorher nicht gehabt. Gefragt nach der wichtigsten Botschaft ihrer Lieder, hat sie schnell eine Antwort parat: «Dass man nicht alleine ist. Das ist mir immer wichtig, dass man nichts alleine durchmachen muss und dass man nie alleine ist.»
Es gibt definitiv zwei Seiten von Zoe Wees, sagt die 20-Jährige. Das sei wichtig, auch um sich selbst zu schützen. Das zeigt sich auch immer wieder im Gespräch, bei dem sie wie so oft englische und deutsche Wörter mischt. So spricht sie zum einen vom sie belastenden Trubel, der ihr oft zu viel wird. Und zum anderen sagt sie genauso deutlich: «Also dabei werde ich es auf jeden Fall nicht belassen, obwohl das schon eine sehr, sehr große Leistung ist und sehr stark ist, wie weit wir gekommen sind, so im Team. Trotzdem geht es immer größer und da werden wir irgendwann hinkommen.»
Die Hansestadt Hamburg ist nach wie vor ihr Lebensmittelpunkt und das soll auch so bleiben, sagt sie. Was ihr noch zum Glück fehle: «Ich glaube, einfach ein bisschen Space für mich selber. Wenn ich das habe – in einer gesunden Balance mit der Arbeit zusammen – dann ist das glaube ich schon ganz gut.»