Ostasien ist nicht nur filigranes Porzellan, Tee-Zeremonien, eine von Buddhismus, Taoismus und Konfuzianismus geprägte Kultur einerseits und Mangas, K-Pop und In-Beautyprodukte andererseits. Seit einigen Jahren erobern sich Thrillerautoren aus Japan und Südkorea eine Nische auf dem Buchmarkt – oft Jahre nach der Originalveröffentlichung. Denn anders als für westliche Sprachen sind literarische Übersetzer für diese Länder relativ rar gesät.
Dabei gibt es viel zu entdecken – eine kraftvolle, mitunter brachiale Sprache, ein düsterer und gewaltstrotzender Humor, der wie eine literarische Antwort auf Tarantinos Filme wirkt, und zugleich spannende Protagonisten, die einem ganz eigenen Wertesystem unterliegen.
Verfilmt mit Brad Pitt
Der japanische Autor Kotaro Isaka, dessen Buch «Suzukis Rache» kürzlich auf Deutsch erschien, dürfte seit dem Vorgänger «Bullet Train» auch im Westen kein Unbekannter mehr sein – was auch an der Leinwandversion des Buches mit Brad Pitt in einer der Hauptrollen liegen dürfte. Das literarische Original des buchstäblich rasanten Thrillers um fünf Killer, einen Hochgeschwindigkeitszug und einen Koffer voller Geld ist allerdings noch einmal deutlich komplexer.
Um Auftragsmörder geht es auch in «Suzukis Rache», das im Original immerhin schon 2004 erschien. Stellenweise ziemlich brutal, mit schrägen Charakteren und einem zappendusteren Sinn für Humor ist der Roman aus der Unterwelt von Tokio nichts für zartbesaitete Naturen mit großer bildlicher Vorstellungskraft.
Bei aller plakativer Gewalt ist das Buch um einen Mathematiklehrer, der den Tod seiner Frau rächen will, aber auch nicht ohne Sinnfragen und Tiefe. Suzuki entschließt sich zum Marsch durch die Institutionen, beziehungsweise das kriminelle Imperium, um näher an das Objekt seiner Rache zu gelangen.
Und der moralische Kompass?
So viele Leichen auch die Buchseiten pflastern, das Morden ist kein reiner Selbstzweck. So wird ein Auftragsmörder buchstäblich heimgesucht von den Opfern seiner Taten, ein anderer sieht sich marionettenhaft verstrickt in einem Leben, über das er die Kontrolle zu erlangen versucht. Und auch Suzuki muss sich fragen, ob ihm in seinem Wunsch nach Rache der moralische Kompass abhanden gekommen ist.
Überhaupt scheinen Killer und ihr Wertesystem ein beliebtes Thema der Thriller aus Fernost zu sein, die in den vergangenen Jahren auf den deutschen Buchmarkt gelangten. So ist Hornclaw, die zierliche ältere koreanische Dame und Protagonistin in Byeong-mo Gus «Frau mit Messer», seit 40 Jahren eine Auftragsmörderin. Mit zunehmendem Alter und schwindenden körperlichen Kräften allmählich prekär, zumal ein junger, aufstrebender und genussvoll brutaler «Kollege» ihr das Leben schwer macht. Altersdiskriminierung, so merkt der Leser, gibt es auch in der Branche der Auftragsmörder. Und so einfach in den Ruhestand verabschieden kann man sich als professionelle Killerin auch nicht.
Dunkel und blutig
Und dann ist da noch der koreanische Autor Un-Su Kim, den manche Kritiker bereits als den koreanischen Henning Mankell bezeichnen. Mit seinem 2018 auf deutsch veröffentlichten Kriminalthriller «Die Plotter» schrieb er einen Roman, der so dunkel und düster, zugleich aber auch literarisch ist wie bei den besten Vertretern des Scandinavia Noir-Genres.
Dunkel, sehr dunkel und sehr blutig geht es zu in «Die Plotter», bei denen einmal mehr mit der Hauptfigur Raeseng ein Auftragsmörder im Mittelpunkt steht. Der Junge, der in einer Mülltonne gefunden wurde und in einer Bibliothek aufwuchs, beging seinen ersten Mord im zarten Alter von 17 Jahren und wundert sich als nunmehr 32-Jähriger, dass er überhaupt so lange überlebt hat.
Ein Yakuza-ähnlicher Loyalitätskodex mischt sich hier mit buddhistischen Riten und nihilistischer Philosophie. Un-Su Kim führt seine Leser auf eine Entdeckungsreise durch die dunkle Seite von Seoul. Und auch Un-Su Kims 2020 veröffentlichter Roman «Heißes Blut» ist düster, oftmals tödlich und getragen von einem ethischen Kodex der Unterwelt.
«Man kann in den letzten Jahren eine Zunahme von belletristischen Stoffen aus dem asiatischen Raum konstatieren», bestätigt Lisa Bluhm vom Hoffmann und Campe Verlag, bei dem auch die Bücher von Kotaro Isaka erscheinen. «Grund hierfür sind die extrem spannenden Geschichten, die asiatische Autorinnen und Autoren zu erzählen haben – und das nicht nur im Bereich der Kriminalliteratur.»