Erstmals eine Frau an der Spitze und mehr Regisseurinnen im Wettbewerb als je zuvor – die Filmfestspiele in Cannes starten mit einigen Neuerungen. Nach einer Durststrecke sind außerdem wieder deutsche Filmschaffende im Wettbewerb vertreten. Zu Beginn des Festivals haben Präsidentin Iris Knobloch und Festivalleiter Thierry Frémaux Einblick in ein besonderes Jahr gegeben. Sie sprachen über die Rolle der Frauen, die Leistung der Deutschen – und das Comeback von Johnny Depp im Historiendrama «Jeanne du Barry», das die Filmfestspiele am Dienstagabend eröffnen sollte.
Die neue Präsidentin Iris Knobloch
Die 76. Filmfestspiele von Cannes gehen dieses Jahr bis zum 27. Mai. Erstmals ist dieses Jahr eine Frau an der Spitze, die neue Präsidentin Iris Knobloch. Ihr werde es wohl in mancher Hinsicht anders ergehen als ihren männlichen Vorgängern, sagte die 60-Jährige am Dienstag der dpa in Cannes. «Ich glaube, eine Frau zu sein bringt eine weitere Ebene mit rein. Denn ich glaube, als Frauen werden wir stärker unter die Lupe genommen. Niemand wird kommentieren, welchen Smoking der Präsident trägt. Ich bin mir sicher, ich werde viele Kommentare bekommen», sagte sie. Eine Frau an der Spitze zu sein habe symbolische Kraft, sagte sie. «Und ich denke, es ist ein Sieg für die Frauen.»
Generell sei es eine wichtige Mission des Festivals, den Fokus auf die junge Generation zu richten. «Denn ich denke, die neue Generation wird die Diversität bringen, die uns generell fehlt, nicht nur in Bezug auf Frauen.» Im Wettbewerb seien dieses Jahr vier Filme aus Ländern vertreten, die es nie zuvor dorthin geschafft hätten, etwa aus dem Sudan oder Senegal.
Dieses Jahr finden sich außerdem mehr Regisseurinnen als je zuvor im Wettbewerb. Festivalleiter Frémaux sagte dazu: «Die Leute gratulieren mir, weil wir sieben Frauen im Wettbewerb haben. Aber ich weigere mich, dafür Lob anzunehmen.» Es seien einfach die Zeiten, die sich veränderten. «Die stärker werdende Bedeutung von Regisseurinnen im Kino spiegelt sich hier mehr als früher wider.» Grundsätzlich entscheide sich das Auswahl-Komitee immer für den besten Film. «Wenn wir aber zwischen dem Film eines Mannes und dem Film einer Frau schwanken, entscheiden wir uns für den Film der Frau.»
Begeisterung für Wim Wenders und Sandra Hüller
Auch ein paar deutsche Namen sind dieses Jahr im Wettbewerb vertreten. Er sei begeistert von Schauspielerin Sandra Hüller, die Rollen in zwei Wettbewerbs-Filmen spielt, sagte Frémaux. «Sie ist eine fantastische Schauspielerin und wir sind glücklich, sie wieder in Cannes zu sehen.» Eine besondere Beziehung hat er auch zu Regisseur Wim Wenders, dessen Spielfilm «Perfect Days» im Wettbewerb zu sehen ist. Außerdem läuft sein 3D-Dokumentarfilm «Anselm» in Cannes. «Wim Wenders ist jemand, für den ich große Bewunderung habe», sagte Frémaux. «Einige seiner Filme gehören zu meinen Favoriten.»
Auch Knobloch sagte, sie sei sehr glücklich über die deutsche Beteiligung im Wettbewerb. «Ich hatte nichts damit zu tun», ergänzte sie scherzend. Knobloch ist die erste Nicht-Französin und entsprechend die erste Deutsche an der Spitze der Filmfestspiele. «Ich finde es großartig, dass Wim Wenders nach so vielen Jahren zurück ist.» Grundsätzlich sei es wichtig, dass das europäische Kino in Cannes präsent ist, sagte Knobloch.
Johnny Depp in «außergewöhnlicher» Rolle
Doch auch viele US-Filmstars kommen nach Cannes. Dienstagabend wird etwa Schauspieler Johnny Depp mit dem Team des Eröffnungsfilms «Jeanne du Barry» auf dem Roten Teppich erwartet. Der Film von der Regisseurin und Schauspielerin Maïwenn erzählt vom Aufstieg Marie-Jeanne Bécus zur Mätresse des französischen Königs Ludwig XV. Dieser wird von Johnny Depp gespielt. Es hatte im Vorfeld des Festivals aus den USA auch kritische Stimmen über die Entscheidung gegeben, das Festival mit Depp zu eröffnen. Angesprochen auf dessen vergangenen Verleumdungsprozess, in dem dieser einen weitgehenden Sieg über seine Ex-Frau Amber Heard erzielte, sagte Frémaux: «Wenn es eine Person auf dieser Welt gibt, die kein Interesse an diesem Prozess hatte, bin es ich.» Depp sei «sehr außergewöhnlich in diesem Film, und der Part war nicht einfach zu spielen.» Debatten seien gesund, sagte Knobloch. Doch: «Das Festival hat den Eröffnungsfilm wegen seines Werts als Film ausgewählt.»