Den Anfang machte Brigitte Bardot. Oder genauer gesagt ihre Füße – in schwarzen Pumps und Netzstrumpfhosen. Im März 1959 legte die «Bravo» den ersten Teil ihres allerersten Starschnitts auf. Man werde nun in den folgenden Heften «ein Stückchen von Brigittchen» veröffentlichen – zum Ausschneiden und Aufkleben, hieß es damals in der Jugendzeitschrift. Auf die Füße folgten neun weitere Teile. Wer alle gesammelt hatte, konnte «die ganze zierliche Figur von Frankreichs lebendem Denkmal in ganzer Größe zu Hause haben. 156 cm Brigitte Bardot!»
Nachzulesen und anzuschauen ist das alles in den Opelvillen im hessischen Rüsselsheim. Dort wird von diesem Sonntag an die Ausstellung «“Bravo“-Starschnitte. Eine Sammlung von Legenden» gezeigt. Zu sehen gibt es insgesamt 45 nachgedruckte Puzzle-Poster, zwischen 1959 und 2004, die einen sehr westlich geprägten Starkult dokumentieren. Die Schau gibt nicht nur Einblicke in längst vergangene Jugendkulturen, sondern erinnert auch an die Gesellschaft in den Jahrzehnten zwischen Nachkriegsmief und Digitalisierung.
«Für die Besucherinnen und Besucher ist es eine Zeitreise», sagt Kuratorin Beate Kemfert. So ist neben Bardot ein Starschnitt von Peter Kraus zu sehen. Es folgen gleich zwei Mal die Beatles oder Elvis Presley. Marilyn Monroe und James Dean sind ebenso ausgestellt, wie Mick Jagger oder ABBA – inklusive musikalischer Begleitung. Eine auf dem Boden kniende Madonna wird aus den 1980ern gezeigt, aber auch Modern Talking, Boris Becker oder der Außerirdische E.T.. Aus der Millennium-Zeit ist etwa Rapper Eminem dabei.
Starschnitte als Provokation und Abgrenzung
«Starschnitte waren schon etwas Besonderes. Die „Bravo“ prägte Generationen von Teenagern, aber war in vielen Haushalten auch verboten», sagt Kunsthistorikerin Kemfert. «Wir haben hier auch Starschnitte von Schock-Rockern wie Kiss oder Alice Cooper – oder von der Gruppe Village People, die in der Homosexuellen-Szene gefeiert wurde. Diese aufzuhängen, das war schon eine Provokation und eine Abgrenzung von den Eltern.»
Nach Angaben der Bauer Media Group, die die «Bravo» herausgibt, aber nicht an der Ausstellung beteiligt ist, wurden über die Jahrzehnte insgesamt rund 120 Starschnitte veröffentlicht. Von Pierre Brice alias Winnetou gab es gleich drei Schnippelposter – eines davon ist auch in Rüsselsheim ausgestellt.
Anruf bei Alex Gernandt, der von 1988 bis 2013 für «Bravo» arbeitete – zuletzt als Chefredakteur. «Früher war „Bravo“ für die Jugendlichen das Tor zur weiten Welt», sagt der Journalist. «Das waren die Zeiten vor der Digitalisierung und des Internets, mit dem Starschnitt hat man sich seine Stars quasi ins eigene Zimmer geholt.» Und natürlich habe das Konzept auch die Leser-Blatt-Bindung gestärkt. «Wer einen Starschnitt zusammenbauen wollte, musste auch die nächsten „Bravo“-Ausgaben kaufen, um alle Einzelteile zu bekommen.»
44 Teile für die Beatles
Besonders lange mussten die Anhänger der Beatles ab November 1965 für einen Starschnitt der Band sammeln. Dafür waren 44 Teile in 39 «Bravo»-Ausgaben nötig. 1992 kam mit US-Serienstar Jason Priestley («Beverly Hills, 90210») das Aus als regelmäßige Rubrik. Später gab es vereinzelte Wiederbelebungen, etwa mit Britney Spears oder Komiker und Regisseur Michael «Bully» Herbig – auch die letzteren beiden sind in der Ausstellung dabei.
Alle Starschnitte, die in den Opelvillen gezeigt werden, sind Leihgaben der Sparkassenstiftung in Lüneburg, wo bereits 2017 eine große Ausstellung stattfand. Ein interessantes Exponat in einer Virtrine ist der Nachbau der Ponderosa Ranch aus der US-Serie «Bonanza», den man per Bastelbogen aus der «Bravo» bauen konnte.
Präsentiert werden auch allerlei Fanartikel, etwa aus der privaten Sammlung eines Beatles-Anhängers, Plattencover sowie ein nachgebautes Jugendzimmer – inklusive orange-brauner Tapete. Besucher sind eingeladen, alte Fotos von ihren Starschnitten mitzubringen und aufzuhängen. Ausgelegt sind zudem alte «Bravos» mit Foto-Love-Stories und Aufklärungsseiten von «Dr. Sommer».
Deutlicher Auflagenrückgang
Doch die Zeiten, als die «Bravo» als Inbegriff der Jugend galt, sind längst vorbei. In den vergangenen Jahren erlebte die Zeitschrift, die inzwischen nur noch monatlich erscheint, einen drastischen Auflagenrückgang, wie viele andere Printmedien auch. Im ersten Quartal 2023 lag die verkaufte Auflage bei knapp 53.000 Exemplaren. Zum Vergleich: 1998 waren noch 970.000 Hefte verkauft worden. Zu absoluten Hochzeiten Anfang der 1990er Jahre lag die wöchentliche Auflage nach Angaben von Ex-Chef Gernandt sogar bei über 1,5 Millionen Exemplaren.
Und wie steht es um das Konzept des Starschnitts, würde der heute noch funktionieren? «Inzwischen ist das total obsolet, viele Kids haben oft nicht mal mehr die Zeit, ein Tik-Tok-Video bis zum Ende zu schauen, geschweige denn über viele Wochen ein Poster zusammenzusetzen», sagt Gernandt. Und auch das Internet habe natürlich einen großen Wandel gebracht: «Die Stars sind inzwischen jederzeit und überall verfügbar – etwa auf YouTube oder via Social Media.»