In der australischen Metropole Sydney bot sich vor wenigen Wochen wieder ein kurioses Bild. Mehr als 500 Menschen in roten Kleidern hatten sich im Sydney Park versammelt, um gemeinsam zu tanzen.
Genauer: Um die eigenwilligen Bewegungen von Kate Bush aus einem Musikvideo zu ihrem Hit «Wuthering Heights» von 1978 nachzutanzen. Auch in anderen Städten treffen sich jedes Jahr Hunderte Fans zum sogenannten «Wuthering Heights Day» und feiern die britische Ausnahmekünstlerin, die am 30. Juli 65 Jahre alt wird.
Neuer Erfolg für «Running Up That Hill»
Kate Bushs Einfluss auf die Musikwelt und das Interesse an ihrem Werk sind ungebrochen. Regelmäßig gewinnt sie neue Fans hinzu. Vergangenes Jahr toppte sie sogar wieder die Charts – mit einer Single aus dem Jahr 1985! Nachdem «Running Up That Hill» in einigen Episoden der populären Netflix-Serie «Stranger Things» zu hören war, erklomm der Song in mehreren Ländern Platz eins. Vor kurzem knackte «Running Up That Hill» die Marke von einer Milliarde Streams. «Es haut mich um», schrieb die öffentlichkeitsscheue Bush auf ihrer Website.
Als «Wuthering Heights» im Januar 1978 veröffentlicht wurde, war Kate Bush gerade 19 Jahre alt und sofort eine Popsensation. Mit ihrer hohen, sirenenhaften Stimme, die wie aus einer anderen Welt klang, hob sie sich deutlich von anderen Sängerinnen ab. Höchst ungewöhnlich war auch, dass sich ihr Lied um ein Buch drehte, Emily Brontës gleichnamigen Klassiker von 1847. Nach kurzer Zeit war die Single ein Nummer-eins-Hit. Bush war damit die erste Frau, die mit einem selbst geschriebenen Song die Spitze der britischen Hitparade erreichte.
Nach den eigenen Regeln
Gegen den Willen der Bosse vom Plattenlabel EMI hatte Kate Bush durchgesetzt, das das ungewöhnliche Lied als erste Single von ihrem Debütalbum «The Kick Inside» ausgekoppelt wurde. Trotz ihrer Jugend weigerte sich die Britin von Anfang an, nach den – im Allgemeinen von Männern aufgestellten – geltenden Regeln der Musikbranche zu spielen und die Kontrolle abzugeben.
Beim zweiten Album «Lionheart», das schon im November desselben Jahres erschien, agierte sie erstmals als Co-Produzentin. Seit «The Dreaming» (1982) zeichnete sie bei jedem ihrer Alben als alleinige Produzentin verantwortlich.
Entdeckt von David Gilmour
Dass sie ein Ausnahmetalent war, zeigte sich schon in der Kindheit. Früh lernte die in Bexleyheath geborene Catherine Bush Klavier zu spielen. Im Alter von 15 Jahren hatte sie bereits über 100 Songs geschrieben. Das berichtete ihr Entdecker David Gilmour in der BBC-Dokumentation «The Kate Bush Story». Der Pink-Floyd-Musiker war durch einen Freund der Familie auf die begabte Teenagerin aufmerksam gemacht worden und besuchte sie zuhause. Im Beisein ihrer Eltern habe sie ihm 40 bis 50 Lieder auf Band vorgespielt, berichtete er.
Gilmour, der mit Pink Floyd damals gerade das Album «Wish You Were Here» aufnahm, war beeindruckt von dem Mädchen mit der «seltsamen Stimme». Er finanzierte professionelle Demoaufnahmen für sie und spielte sie seinem Label EMI vor. Auch dort war man begeistert. Erst 16-jährig, unterschrieb Bush ihren ersten Plattenvertrag.
Kate Bushs Songs zeichneten sich durch eine erstaunliche Reife und Originalität aus. Neben ihrer einzigartigen Stimme machte sie auch durch ihre theatralische Performance auf sich aufmerksam. Den Vorschuss, den ihr EMI gegeben hatte, investierte sie klug und ließ sich in interpretierendem Tanzen und Pantomime unterrichten. Jede Performance von ihr wurde zu einem Schauspiel. Auftritte, in denen sie einfach nur da steht und singt, sucht man vergebens.
Gemäß ihrem Vertrag absolvierte Kate Bush im Frühjahr 1979 ihre erste Konzerttournee, die «Tour Of Life». Ihre Shows waren ein visionäres und im Nachhinein wegweisendes Spektakel mit Musik, Tanz, Pantomime und sogar Zauberei. Auch hier hatte Bush die kreative Kontrolle und kümmerte sich neben der Choreographie um das aufwendige Bühnenbild und das Kostümdesign. Weil sie während des Singens tanzte, bastelten Toningenieure ein improvisiertes Headset-Mikrofon für sie. Bush gilt als eine der ersten, die so etwas auf der Bühne nutzte.
Starkes Lampenfieber
Nach der sechswöchigen Tournee, auf der sie auch sechs Konzerte in Deutschland absolviert hatte, wurde sie in einer TV-Sendung nach ihrer nächsten Tour gefragt. «Ich weiß nicht», antwortete Bush. «Wir müssen mal abwarten und dann schauen.» Es sollte ihre bislang – und vermutlich für immer – letzte Tour werden. Erst 35 Jahre später kehrte Bush, die unter starkem Lampenfieber leidet, für ihre Konzertreihe «Before The Dawn» auf die Bühne zurück. Die 22 Shows in London waren binnen 15 Minuten ausverkauft.
Im Studio blieb die Sängerin, Songschreiberin und Produzentin stets aktiv und produktiv. Alle zehn Studioalben von ihr erreichten die britischen Top 10. Hinzu kommen fünf EPs und vier Boxsets sowie Livemitschnitte der Konzerte von 1979 und 2014. Unter den fast 40 Singles, die Kate Bush veröffentlicht hat, waren Top-10-Hits wie «The Man With The Child In His Eyes», «Babooshka», «Cloudbusting» oder «Don’t Give Up», ein ergreifendes Duett mit Peter Gabriel.
Über das Privatleben von Kate Bush ist wenig bekannt. Lange Zeit war sie mit ihrem Bassisten und Toningenieur Del Palmer liiert. Anfang der 1990er Jahre heiratete sie den Gitarristen Dan McIntosh, mit dem sie einen gemeinsamen Sohn hat. Berichten zufolge sind die beiden bis heute ein Paar und leben in England auf dem Land.
Vorbild für Generationen
Der Einfluss von Kate Bush auf die Popkultur ist kaum hoch genug einzuschätzen. Sie war und ist ein Vorbild für Generationen von Musikerinnen und Musikern, darunter Tori Amos, Björk oder Florence Welch von Florence And The Machine. Bush hat ihnen den Weg geebnet und gezeigt, dass Künstlerinnen experimentell und erfolgreich sein können, ohne Kompromisse einzugehen.
Indem sie sich gängigen musikalischen Normen widersetzte, verschob Kate Bush die Grenzen dessen, was in der Popmusik möglich ist. «Keiner ihrer Songs ist normal», sagte Popikone Sir Elton John in der «Kate Bush Story» und schwärmte von seiner Freundin. «Sie ist einzigartig. Sie ist ein Mysterium. Das wunderschönste Mysterium.»