Sean Read (l-r), Kevin Rowland, Mike Timothy und Jim Paterson von der britischen Band Dexys. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Sandra Vijandi/Snowhite PR/dpa)

Popkennern sind sie ein Begriff, bei vielen aber dürfte der Name Dexys erst mit Nachhilfe Erinnerungen wachrufen. Die Band aus Birmingham toppte Anfang der 1980er Jahre, noch unter dem Namen Dexys Midnight Runners, mit der Hitsingle «Geno» und dem Gassenhauer «Come On Eileen» die Hitparaden. 1987 löste sich die Gruppe auf und kehrte es 2003 als Dexys zurück. Einziges konstantes Mitglied ist der 69 Jahre alte Sänger und Songwriter Kevin Rowland.

Stilistisch hat sich Rowland mit Dexys auf dem sechsten Album nicht allzu weit von seinem alten Sound entfernt, zumindest auf der ersten Hälfte von «The Feminine Divine». Vom Start weg ist mit «The One That Loves You» und «It’s Alright Kevin (Manhood 2023)» eine launige Mischung aus Northern Soul und Pop zu hören, die – und das ist ein nicht unwesentlicher Kritikpunkt – leider teilweise mit Synthesizern eingespielt wurde, nicht mit einer Big Band. Immerhin ist Original-Posaunist Jim Paterson wieder an Bord.

Es geht auch um Männlichkeits-Konzepte

Musikalisch vollziehen Dexys mit dem Titeltrack, der sich genau in der Mitte des neuen Albums befindet, einen Bruch. Vom launigen Northern Soul wechselt der Stil mit «The Feminine Divine» und «My Goddess Is» auf einmal zu lässigem Funk mit viel Sprechgesang. Klingt eigentlich ganz lässig. «Goddess Rules» ist einem Synthesizer-Loop in Endlosschleife, zu dem sich Rowland mit einer Frau über die Regeln ihrer einseitigen Beziehung unterhält. Inhaltlich ist die Ballade «My Submission» der direkte Nachfolger.

«The Feminine Divine» ist ein kabarettistisches Konzeptalbum im weiteren Sinne. Thematisch setzt sich Rowland in den teilweise autobiografischen Songs mit seiner Beziehung zu Frauen auseinander – und mit einem Konzept der Männlichkeit, das seine Erziehung prägte, ihm nun aber offenbar missfällt. Dexys haben dazu bereits zwei Musikvideos veröffentlicht, die viel Spielraum für Interpretationen geben. Unter anderem ist Rowland darin – nicht zum ersten Mal – in Frauenkleidern zu sehen.

Frieden mit der Vergangenheit gemacht

Kevin Rowland hat in Interviews erzählt, dass er die Erfolge von vor rund 40 Jahren und das damit verbundene Image mitunter als Ballast empfand (obwohl die Band selbst damit wirbt). In der Vergangenheit sei er nämlich häufig kritisiert worden, wenn er bestimmte Erwartungen nicht erfüllte, so Rowland. Heute sehe er das gelassener. «Das sind normalerweise Leute, die ins Jahr 1981 zurückgehen wollen. Daran habe ich kein Interesse», sagte er dem Magazin «The Quietus».

Auf «The Feminine Divine» scheint er seinen Frieden mit der Vergangenheit gemacht zu haben. Der vielleicht schönste neue Song ist «I’m Going To Get Free» («Ich werde frei sein»). Die lebensbejahende Gute-Laune-Nummer aus der ersten Hälfte des sechsten Dexys-Albums ist definitiv als Maxime des 69-jährigen Rowland zu verstehen.

Von Philip Dethlefs, dpa