US-DJ Grandmaster Flash kommt zum Konzert «GRAMMY Nominations Concert Live!». (Urheber/Quelle/Verbreiter: Paul Buck/EPA/dpa)

Auf den ersten Blick ist das rote Backsteingebäude mit 18 Stockwerken, etwa 100 Wohnungen und vergitterten Fenstern eines von vielen solcher Wohnblocks, die über ganz New York verteilt stehen. Vor dem Gebäude liegen eine Schnellstraße, Bahngleise und der Harlem River, zwei Brücken darüber versperren den Blick auf die Skyline von Manhattan. Aber «1520 Sedgwick Avenue», so die groß über dem Eingang prangende Adresse, ist kein Wohnblock wie alle anderen. Genau hier, am südwestlichen Rand der Bronx, soll 11. August vor 50 Jahren der Hip-Hop erfunden worden sein.

Von der Bronx aus eroberte der Hip-Hop die Welt, veränderte die Geschichte der Musik, der Clubs und auch der Mode. Heute gehört er – mit allen daraus hervorgegangenen Variationen – zu den am weitesten verbreiteten Musikstilen der Unterhaltungsindustrie und hat unzählige Chart-Hits und Stars mit eigenen Imperien hervorgebracht, wie etwa Jay-Z, Beyoncé, Kanye West, Eminem oder P. Diddy. Auch Musiker wie Grandmaster Flash, Public Enemy, Kurtis Blow, die Sugarhill Gang und später der Wu-Tang Clan, Tupac Shakur, Notorious B.I.G. und Wyclef Jean wurden als Größen des Genres weltbekannt. Der 50. Geburtstag des Hip-Hop wird in New York und weltweit unter anderem mit Veranstaltungen, Konzerten, Ausstellungen und Auktionen gefeiert.

Auf linierten Karteikarten hatte Cindy Campbell im August 1973 in kugeliger Mädchenschrift Freunde und Bekannte eingeladen, wie ein von der «New York Times» veröffentlichtes Foto des Flyers zeigt. Ein «Back to School Jam» sollte es werden, von 21.00 bis 04.00 Uhr im Gemeinschaftsraum von 1520 Sedgwick Avenue – heute offiziell ein denkmalgeschützter Ort der Stadt. Der Eintritt betrug für Frauen 25 Cent und für «Fellas», also Jungs, 50. Star des Abends: Cindys großer Bruder Clive, der eine große Plattensammlung besaß und sich als «DJ Kool Herc» im Viertel einen Namen gemacht hatte.

Wo wird das Hip-Hop-Museum stehen?

Aus der Party wurde eine «Revolution», wie das «New York Magazine» schreibt, «für Hip-Hop-Fans ist die Geschichte dieser Party heilig»: Der damals 18-jährige DJ Kool Herc spielte nicht die kompletten Songs auf seinen Platten, sondern nur die Instrumentalteile zwischen dem Gesang, zu denen die Partygäste am besten tanzen konnten. Ein Freund schnappte sich ein Mikrofon und begann dazu zu rappen, auch wenn es diese Bezeichnung dafür damals noch gar nicht gab – der Hip-Hop war geboren. Partygänger konnten gar nicht genug davon bekommen, erinnert sich der heute 68-jährige DJ Kool Herc. «Es gab kein Zurück mehr.»

Ein halbes Jahrhundert später schafft es der Hip-Hop nun sogar ins Museum: Etwa vier Kilometer südlich von 1520 Sedgwick Avenue entsteht gerade das rund 80 Millionen Dollar (etwa 73 Millionen Euro) teure «Universal Hip-Hop Museum» (UHHM), dessen Eröffnung derzeit für 2024 geplant ist. Von einem «weiteren Meilenstein für den Hip-Hop», schwärmt Direktor Rocky Bucano schon jetzt, der auch der Bronx insgesamt mehr Besucher und Auftrieb verschaffen soll. «Touristen aus der ganzen Welt werden hier hinkommen», sagt Bucano. «Der Hip-Hop ist inzwischen ein globales Phänomen, er ist transzendent, er ist transformativ und er wächst und wächst immer weiter.»

Wie ist der Hip-Hop entstanden?

Dass der Hip-Hop überhaupt entstehen konnte, sei auch durch ein heute weitgehend vergessenes Ereignis möglich gemacht worden – das Hoe-Avenue-Friedenstreffen 1971, sagt der in Münster geborene und in New York lebende Autor Julian Voloj. Damals sei die Bronx von der Kriminalität rivalisierender Gangs lahmgelegt worden. Ein ehemaliges Band-Mitglied, Cornell «Black Benjie» Benjamin, wollte vermitteln und kam dabei im Alter von nur 25 Jahren ums Leben. Als Reaktion darauf kam es zum Friedenstreffen, das die Kriminalität zumindest zeitweise beruhigen und im Viertel wieder Freiraum für andere Dinge schaffen konnte.

Autor Voloj, der kürzlich erst von der Stadt New York für seine Verdienste ausgezeichnet wurde, kennt viele der Beteiligten persönlich, hat aus der Geschichte ein Graphic Novel gemacht und war auch dabei, als der Straßenabschnitt im Zentrum der Bronx, wo Benjamin 1971 ums Leben kam, im Juni bei einem großen Fest in «Cornell “Black Benjie” Benjamin Way» umbenannt wurde.

«Ich bin völlig überwältigt von der Dankbarkeit», sagt Benjamins Nichte Angelique Lenox, die ebenfalls mitfeierte. Ihr Onkel sei ein «Friedensmacher» gewesen und habe damit eben auch mitgeholfen, den Weg für die Entstehung des Hip-Hop zu ebnen. «Diese Gangmitglieder mussten nach dem Friedensschluss andere Wege finden, ihre Energie loszuwerden, andere Sachen, die sie machen konnten. Und der Friedensschluss ermöglichte es ihnen gleichzeitig, sich im Viertel frei zu bewegen und sich zu zeigen – und all das führte dann zur Entstehung des Hip-Hop.»

Von Christina Horsten, dpa