Wigald Boning (56, Die Doofen) ist nicht zu stoppen. Seit fast 500 Tagen steigt er bei Wind und Wetter in ein Gewässer, um zu schwimmen. Nichts konnte den Komiker bislang davon abhalten: In der Saale wich er ins Wasser geworfenen Gartenabfällen und Butterbroten aus, am Berliner Hauptbahnhof unfreundlichen Binnenschiffern und in der Alster Ruder-Sportbooten ohne Rückspiegel.
Er schwamm am Bremer Weserstadion vorbei und als vermutlich erster Mensch überhaupt im Regenrückhaltebecken des Hannoveraner Flughafens. Am Tag der Krönung von Charles in London stieg Boning in die Themse, damit seine Serie nicht reißt. In mehr als 90 verschiedenen Gewässern ist er schon geschwommen.
Bald der 500. Badetag
Corona-Infektion, Fieber und Erkältung hielten ihn nicht ab. Am kommenden Sonntag wird es, wenn nichts dazwischenkommt, der 500. Badetag, an dem er ohne Unterbrechung ins Wasser steigt. Sein Ziel, ein Jahr lang baden zu gehen, hat er längst erreicht: «Ich bin in der Kür.»
Doch was treibt ihn an? «Erstmal sind wir an den Ammersee gezogen. Da dachte ich, mit diesem großen schönen See vor der Haustür muss man ja irgendwas anstellen», sagt Boning im Interview der Deutschen Presseagentur.
Außerdem sei er einer drohenden Operation davon geschwommen: «Ich hatte Probleme mit einer verkalkten Schulter und alle möglichen Therapien durchprobiert. Und siehe da: Ich habe die Schulter vollständig kurieren können durch das Schwimmen in kaltem Wasser – sagt zumindest mein Orthopäde.»
«Wasserscheue Landratte»
Die kuriosen und gefährlichen Dinge, die ihm beim Schwimmen widerfahren sind, hat er nun in einem Buch festgehalten («Herr Boning geht baden»).
Als wasserscheue Landratte war ihm eine Schwimmerkarriere nicht in die Wiege gelegt, berichtet er darin. Dennoch landete er bei einem 24-Stunden-Schwimmen in Bayern unter den Top Ten. Dann der Rückschlag: Bei einer Bodensee-Durchquerung brauchte er 7 Stunden und 24 Minuten und wurde zum inoffiziellen «Weltmeister im Langsamschwimmen» gekürt.
«Als Leichtathlet war ich in meinen Jugendtagen höchst durchschnittlich, habe aber den Pokal als Trainingsfleißigster gewonnen», sagt Boning. «Beständigkeit, das ist meine Qualität.»
Dass das Projekt nicht «Boning geht schwimmen» heißen konnte, wurde ihm in Magdeburg klar: «Da ging ich in einen alten Elbarm. Es wurde immer flacher, bis ich mit dem Bauch aufsetzte.» Auch im Flüsschen Gera in Erfurt konnte er nur baden, aber nicht schwimmen.
Ekel überwinden
Das unangenehmste Schwimmerlebnis sei «ganz klar» eine Kokosnussplantage in Thailand gewesen, wo er für Dreharbeiten war. «Das war eine modrige Jauchegrube. Aber ich habe mich nicht lumpen lassen und bin ein paar Meter geschwommen.» Schöne Badegänge fallen ihm gleich mehrere ein: «Ein paar Bergseen waren fantastisch. Oder das erste Mal ein Eisloch selber kloppen im Zillertal und dann dort einsteigen. Das war etwas Besonderes.»
Gefährlich wurde es auch – ausgerechnet in seinem so vertrauten Haussee: «Bei dichtem Nebel habe ich im Ammersee die Orientierung verloren. Wenn man nicht mehr weiß, in welche Richtung man schwimmen soll, hat man je nach Wassertemperatur nicht unendlich viel Zeit.» Als ein ankerndes Motorboot aus dem Nebel auftauchte, «wusste ich wieder, wo es ans Ufer geht. Nebel als Gefahrenquelle hatte ich nicht wirklich auf der Liste.»
Boning tauchte unter die Eisdecke eines zugefrorenen Sees: «Das ist das S-Bahn-Surfen für Brustschwimmer. Man muss aufpassen, dass man die Öffnung im Eis immer im Blick behält. Alles andere kann zu einem schnöden Ende führen.»
Gefährliches Experiment
Gefährlich sei aber auch warmes Wasser: «Wie heiß kann ich baden? Ein völlig schwachsinniges Experiment, zu dem ich im Nachhinein nur sagen kann: Nicht nachmachen! Ich bin Gott sei Dank zeitverzögert ohnmächtig geworden – nicht im etwas mehr als 40 Grad heißen Wasser, sondern ein paar Minuten später.»
Zuvor war er schon 2014 gut 200 Tage täglich Fahrrad gefahren. Den Schlusspunkt setzte damals eine Alpenüberquerung auf dem Faltrad: in 25 Stunden von Garmisch-Partenkirchen nach Venedig. Dann zog er sich die Laufschuhe an: 2021 lief er ein Jahr lang jede Woche einen Marathon. 52 mal 42,2 Kilometer. Mal in Crocs, mal schob er dabei seinen schwerkranken Vater im Rollstuhl vor sich her.
Orthopädisch seien die Marathons die größere Herausforderung gewesen. «Ständig tat irgendetwas weh. Für den Körper wesentlich angenehmer ist das Schwimmen. Man entlastet ihn. Die ganzen Zipperlein waren wie weggeblasen. Aber die mentale Belastung des täglichen Eisbadens oder Winterschwimmens hat mir schon zugesetzt. Mit Fieber in drei Grad kaltes Wasser zu steigen – da kommt der Genuss zu kurz.»
Streit mit einem Schwan
Was seiner Schwimm-Strähne noch in die Quere kam: «Ein Schwan im Wörthsee, der mich davon abhalten wollte, ins Wasser zu steigen. Ich habe auf ihn eingeredet, alles versucht, freundlich, aber auch in scharfem Ton. Irgendwann war es ihm zu doof und er machte den Platz frei.»
Sein definitives Motivationstief hatte er Ende März: «Das Wasser war weiterhin fünf Grad kalt und dazu kam kalter Regen. Mein Papa war gestorben, ich trauerte und nichts konnte mich dazu bewegen, in den See zu steigen. Da habe ich dann einmal diese japanische Sitz-Badewanne auf dem Balkon verwendet – und mich danach ein kleines bisschen geschämt.»
Wigald Boning, Herr Boning geht Baden, Gräfe und Unzer Verlag, 22 Euro, 271 Seiten, ISBN 978-3-8338-9164-9