Der Star-Pianist Igor Levit (36) fühlt sich angesichts antisemitischer Vorfälle in Deutschland sehr allein. «So allein wie noch nie», sagte er der Wochenzeitung «Die Zeit» (Donnerstag).
«Die jetzt fehlende Empathie hat bei mir dazu geführt, dass ich mein Grundvertrauen in das, was Gesellschaft in Deutschland ist, verloren habe», sagte er. «Das ist der eigentliche Bruch, den ich empfinde.» Er habe mit dem Gedanken gespielt, Deutschland zu verlassen, sei aber noch nicht so weit.
Der Hass auf Juden sei nicht nur eine Bedrohung für ihn selbst, sondern für die «Existenzgrundlage dieser Bundesrepublik», sagte er. «Ich würde am liebsten alle anschreien: Merkt ihr eigentlich nicht, dass es gegen euch geht? «Tod den Juden!» heißt «Tod der Demokratie!». Wenn ihr an Demokratie glaubt, und euer Land ist an einem Punkt, wo jemand wie ich rennen muss: Dann müsst auch ihr rennen», betonte Levit. «Dass sich diese Dringlichkeit nicht auf die Straße übersetzt, finde ich erschütternd.»
Levit kritisierte den Kulturbetrieb: «Mit einigen habe ich im Hintergrund gesprochen und gefragt: Wo seid ihr? Ihr wart doch bei allen diesen anderen Themen da, beim Ausbruch des Ukraine-Krieges zum Beispiel! Und da bekam ich nur die Antwort: Israel ist halt kompliziert. Ich bin aber nicht Israel!» Auf die Frage, was das mit ihm gemacht habe, sagte er: «Kein Ereignis hat mich so sehr zum Juden gemacht wie dieses.»
Zu den Aussagen der Klimaaktivistin Greta Thunberg über den Nahostkonflikt sagte Levit: «Ich war fassungslos. Ich war auch ob der Dummheit fassungslos – wie hohl, wie bescheuert.» Er hob aber die Klarheit hervor, mit der sich die deutsche Fridays-for-Future-Aktivistin Luisa Neubauer von jeder Form des Antisemitismus distanziert habe.