Der Rush-Frontmann Geddy Lee steht in seinem Studio, Bassgitarren hängen an der Wand. (Urheber/Quelle/Verbreiter: HarperCollins)

Rockstars wie die Foo Fighters oder die Smashing Pumpkins, Schauspieler und Musiker Jack Black und die Macher der Zeichentrick-Kultserie «South Park» haben etwas gemeinsam: Sie alle sind Fans der kanadischen Rockband Rush. Frontmann des Trios, das für Songs wie «Spirit Of The Radio», «Tom Sawyer» oder das rund 20-minütige Progressive-Rock-Epos «2112» berühmt ist, ist Geddy Lee. Der 70-Jährige hat jetzt seine Autobiografie veröffentlicht.

In «My Effin‘ Life» blickt der Sänger, Bassist und Keyboarder von Rush nicht nur auf seine lange Karriere zurück. Er beschäftigt sich auch intensiv mit seinen jüdischen Wurzeln, die er als Jugendlicher zeitweise verleugnete. «Es hat lange gedauert, bis mir klar geworden ist, dass meine Herkunft etwas ist, auf das ich stolz sein kann», sagt der Sänger im Interview der Deutschen Presse-Agentur in London. Mittlerweile schätzt er die jüdische Kultur, ohne wirklich religiös zu sein. «Ich trenne definitiv zwischen Kultur und Gott.»

Lee wurde als Sohn polnischer Auswanderer unter dem Namen Gershon Eliezer Weinrib in Toronto geboren. Das Trauma seiner Eltern, die den Holocaust überlebten, prägte auch sein Leben. Ihrer dramatischen Geschichte widmet der Musiker in seinem Buch ein bewegendes Kapitel. «Weil ich das Gefühl habe, dass wir in einer Zeit leben, in der scheinbar vergessen wurde, was passieren kann und wird, wenn der Faschismus seinen Kopf erhebt», schreibt er. Er erzählt auch von einem Besuch mit seiner Mutter im Konzentrationslager Bergen-Belsen zum 50. Jahrestag der Befreiung 1995. Das sei heilsam gewesen.

Natürlich geht es in «My Effin‘ Life» vor allem um die Musik. Geddy Lee erzählt von den Anfängen in einer Schülerband, die auf Bar-Mizwas spielte, bis zur feierlichen Aufnahme von Rush in die «Rock And Roll Hall Of Fame» und das bislang letzte Konzert vor einigen Jahren. «Wir empfanden es als Glück, dass wir das machen durften», sagt er über sein hohes Arbeitspensum mit der Gruppe. In den ersten zehn Jahren veröffentlichten Rush im Schnitt ein Album pro Jahr und waren ständig auf Tournee.

Manager in die Verzweiflung gestrieben

Mit ihren komplexen und nicht gerade radiotauglichen Songs hätten die als eigenwillig geltenden Musiker so manchen Manager und Produzenten zur Verzweiflung getrieben. «Die haben nicht verstanden, was wir gemacht haben», scherzt der Sänger, Bassist und Keyboarder. Doch der Erfolg von Rush habe die Verantwortlichen bei den Plattenfirmen schließlich beruhigt. «Die sagten: „Wir verstehen es nicht, aber es scheint zu funktionieren. Also lassen wir sie einfach machen.“»

Emotional schreibt Lee über den Tod von Schlagzeuger Neil Peart, der im Januar 2020 an einem Hirntumor starb. Damit schien das Kapitel Rush beendet. Doch für zwei Konzerte zu Ehren des gestorbenen Foo-Fighters-Schlagzeugers Taylor Hawkins im vergangenen Jahr traten Geddy Lee und Rush-Gitarrist Alex Lifeson gemeinsam auf.

Lee, der seit seiner Kindheit sehr eng mit Lifeson befreundet ist, würde das gern fortsetzen. «Ich weiß nicht, ob wir es Rush nennen würden», sagt er. «Ich glaube, Alex und ich wollen beide sehr gern wieder Lieder zusammen schreiben und sehen, was passiert. Das wäre der erste Schritt.» Nach dem emotionalen Rückblick macht der Musiker seinen Fans also mit einem vielversprechenden Ausblick Hoffnung.

Zu Deutschland hat Lee übrigens trotz der traumatischen Vergangenheit seiner Familie eine positive Beziehung. «Ich freue mich jedes Mal darauf, nach Deutschland zu kommen», sagt er. «Ich habe dort über die Jahre so viele großartige Menschen kennengelernt.» Außerdem haben er und seine Frau Nancy, mit der er seit seiner Jugend zusammen ist, eine neue Leidenschaft entdeckt. Das kanadische Paar schaut deutsche Krimis – mit englischen Untertiteln. Ihr Favorit: «Eine Serie namens „Tatort“», schwärmt Geddy Lee. «Borowski mögen wir besonders.»

Von Philip Dethlefs, dpa