Vielleicht gehört zu jeder Erfolgsgeschichte eine Schattenseite. Im Fall von Elvis Presley dürfte das sein Beziehungsverhalten sein. Konkreter: Der Umgang mit seiner mehrjährigen Ehefrau Priscilla, wie sie ihn schildert.
Von 1967 bis 1973 war der King of Rock’n’Roll mit der heute 78-Jährigen verheiratet. Über ihr Liebesleben hat Priscilla einst ein Buch geschrieben, nun hat Sofia Coppola einen Film daraus gedreht. Es geht darin um Kontrollverhalten, Manipulationen, mutmaßliche Affären – aber auch um eine tiefe Verbundenheit.
Coppola erzählt die Liebesgeschichte der beiden vom Moment des Kennenlernens bis zur Trennung. Wie man es von der Oscar-Preisträgerin gewohnt ist, schwelgt das Drama in Melancholie. Gewohnt meisterhaft setzt die 52-Jährige dafür Licht, Musik, die Kostüme und das Setdesign ein.
Die Geschichte einer missbräuchlichen Beziehung
Priscilla lebte Ende der 1950er Jahre in Deutschland, da ihr Stiefvater in Wiesbaden als Offizier stationiert war. Auch Elvis leistete damals dort Militärdienst. Die beiden lernten sich 1959 in Bad Nauheim kennen, als Priscilla erst 14 Jahre alt war. Elvis war zehn Jahre älter. Die beiden näherten sich nach anfänglichem Widerstand von Priscillas Eltern an. Schließlich durfte Priscilla als Teenager alleine zu Elvis nach Memphis ziehen und dort ihren Highschool-Abschluss machen. Die beiden heirateten 1967, 1973 folgte die Scheidung.
Der vom Streamingdienst Mubi produzierte Film zeigt, welche besondere Verbindung die beiden wohl spürten. Aber auch, wie missbräuchlich der Alltag aus Priscillas Sicht war. Es entsteht der Eindruck, Elvis habe seine jugendliche Freundin als eine Art Puppe behandelt.
Es sind Szenen wie diese: Elvis, der ständig Schlaf- und Aufputschpillen nimmt und diese auch Priscilla anbietet. Der wochenlang auf Filmdrehs ist und Schlagzeilen mit mutmaßlichen Affären macht. Der Priscilla vorschreibt, welche Kleider sie tragen und welches Make-up sie benutzen soll. Der ihr vorschlägt, eine Beziehungspause zu machen, als sie hochschwanger ist, und diese Idee kurz darauf wieder verwirft. Der ihr verbietet, zu arbeiten (schließlich muss sie erreichbar sein, wenn er anruft) oder Freunde nach Hause in das Anwesen Graceland mitzubringen.
Ein Film für Liebhaber von Popmusikgeschichte
Priscilla wirkt wie eine Gefangene in einem wunderschönen Käfig. Die Innenräume von Graceland, in denen der Film größtenteils spielt (allerdings als nachgebaute Kulisse), sind prächtig ausgestattet. Coppola setzt viele schöne Details ein, um Stimmung zu erzeugen. Eine knisternde Schallplatte, die eine schwelgerische 50er-Jahre-Melodie spielt, versprühtes Haarspray und aufgetragener Lippenstift – schon ist man so versunken in dieser Welt wie Priscillas lackierte Zehennägel im plüschigen Teppichboden.
Lange ist Priscilla sehr passiv, und auch der Film fließt eher langsam dahin, als dass er große Spannung aufbaut. «Priscilla» ist ein guter Film für Leute, die Wert auf Atmosphärisches und Optik legen – und alle, die sich für Popmusikgeschichte interessieren. Das Drama ist gewissermaßen das Pendant zum Biopic «Elvis» von Baz Luhrmann, in dem die Beziehung der beiden nur eine Nebenrolle spielte. Dort geht es um anderes missbräuchliches Verhalten, diesmal mit Elvis als Opfer: Sein Manager bereicherte sich übermäßig am Gewinn und motivierte Elvis zu erschöpfend vielen Auftritten.
Sofia Coppola: So war die Zusammenarbeit mit Priscilla
Nun aber ist die Zeit gekommen, auf die Perspektive Priscillas zu blicken. Coppola hat für den Film eng mit ihr zusammengearbeitet. Diesen Prozess schilderte die Regisseurin der dpa: «Es war so eine persönliche, intime Geschichte. Ich habe ihr Fragen gestellt und wollte nie zu neugierig und zu persönlich werden. Aber ich musste einige persönliche Fragen stellen. Und ich glaube, es war schwer für sie, die letzte Phase (der Beziehung) noch einmal zu durchleben, denn ich bin mir sicher, dass es für jeden schwer wäre, eine große Trennung noch einmal zu durchleben, selbst nach all dieser Zeit.»
Coppola habe Priscilla kontaktiert und gefragt, ob sie der Idee eines Films gegenüber aufgeschlossen wäre. Die 78-Jährige habe erst einmal gezögert, schließlich aber zugestimmt. Sie sei beratend zur Seite gestanden. «Aber sie hat mir auch den Freiraum gegeben, den Film so zu machen, wie ich ihn wollte», sagte Coppola. Sie sei etwa auch nie ans Set gekommen.
Bis heute betont Priscilla Presley bei allen negativen Anekdoten ihre liebevollen Gefühle zu ihrem berühmten Ex-Mann, der 1977 starb. «Er war die Liebe meines Lebens», sagte sie im September beim Filmfest Venedig. Eine Ambivalenz, die für manche irritierend sein dürfte. Coppola sagte dazu der dpa: «Ich wollte respektieren, wie sie die Beziehung sieht, und es dann auch wahrheitsgetreu darstellen. Und ich habe wirklich versucht, nicht zu urteilen und einfach ihre Erfahrungen zu zeigen.» Nun kann sich das Publikum ein eigenes Urteil bilden.
Priscilla, USA/Italien 2023, 113 Min., FSK ab 16 Jahren, von Sofia Coppola, mit Cailee Spaeny und Jacob Elordi