Man sieht Rod Stewart wahrlich nicht an, dass er auf die 80 zugeht. In einem Trikot und einer Trainingsjacke seines geliebten Fußballvereins Celtic Glasgow sitzt der britische Sänger mit der blonden Struwelmähne auf der Couch, während die Sonne durch sein Fenster scheint.
«Ich bin hier draußen auf dem Land, in Essex, und es ist ein wundervoller Tag», schwärmt Stewart im mittäglichen Video-Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in London. «Ich trinke meinen Morgenkaffee und esse eine Scheibe Toast.»
Ein großer Fußball-Fan
Bevor es um sein neues Album geht, will der 79-Jährige über Fußball sprechen. «Schaust du dir die Deutschland-Spiele dieses Jahr an?», fragt er mit Blick auf die Europa-Meisterschaft im Sommer. «Zum Auftakt gegen Schottland!» Der gebürtige Londoner ist zwar Engländer, aber sein Vater war Schotte und Fußballfan Rod drückt der schottischen Nationalmannschaft die Daumen. Auf die Bemerkung, dass die Schotten gegen die kriselnde DFB-Elf gute Chancen haben, grinst er. «Dein Wort in Gottes Ohr!»
Wenn die EM startet, wird er gerade in Europa unterwegs sein. Seine Tournee läuft unter dem Motto «Live In Concert – One Last Time». Sir Rod stellte aber längst klar, dass es sich nicht um einen Abschied von der Bühne, sondern nur vom Rock’n’Roll handle. In nächster Zeit will sich der Altrocker dem Swing widmen.
Im Herbst seiner Karriere hat er sich das «Great American Songbook», Motown- und Soulklassiker sowie bekannte Weihnachtslieder zu eigen gemacht. Auf «Swing Fever» hat er sich nun gemeinsam mit Jools Holland und dessen Rhythm & Blues Orchestra die Klassiker der Big-Band-Ära vorgenommen.
Es ist Stewarts zweiter Versuch. «Ich habe in Los Angeles angefangen, ein Swing-Album aufzunehmen, aber das lief überhaupt nicht so, wie ich das wollte», sagt der charismatische Sänger. «Es klang ein bisschen zu sauber, ein bisschen zu sehr nach Frank Sinatra.» Frank sei der «großartigste Sänger aller Zeiten», betont Stewart, aber für seine eigenen Aufnahmen war ihm der Sound etwas zu poliert.
Großer Fan von Modelleisenbahnen
Also rief er Holland (66) an, der mit unzähligen Stars gearbeitet hat und den meisten Briten durch seine Musik-TV-Show «Later… with Jools Holland» bekannt ist. «Seine Band ist rau und ungeschliffen, sie klingt genau so, wie ich es mir gewünscht hatte», sagt Stewart, der seinen neuen musikalischen Partner vorher nur flüchtig kannte. Neben der Liebe zur Musik verbindet die beiden Veteranen ihre Leidenschaft für Modelleisenbahnen. «Das hat uns zusammengebracht.»
«Swing Fever» enthält Klassiker aus anderen Zeiten, die dennoch zeitlos sind, so wie die jazzige Broadway-Musical-Nummer «Ain’t Misbehavin’» aus dem Jahr 1929. «Lullaby Of Broadway» von 1935 wurde unter anderem schon von Doris Day, Tony Bennett und Ella Fitzgerald gesungen, «Pennies From Heaven» war 1936 ein Erfolg für Bing Crosby. Mit dem «Tennessee Waltz» von Pee Wee King landete Patti Page 1950 einen Riesenhit.
Was alle Songs auf «Swing Fever» gemeinsam haben: Sie sind äußerst schwungvoll. «Es sind keine langsamen Lieder drauf», stellt Stewart grinsend klar. «Also steht auf und tanzt!»
«Good Rockin’ Tonight» ist in der Version von Elvis Presley am bekanntesten. Das Duo hat den Song allerdings im Boogie-Woogie-Stil des Originals von Roy Brown aufgenommen. Der hatte den Song 1947 auch geschrieben. «Swing führte uns zum Rock’n’Roll», stellt Stewart klar, der zu Beginn seiner Karriere als Sänger der Jeff Beck Group und dann als Frontmann der Faces mit kernigem Rock’n’Roll Erfolge feierte. Deutlich wird das bei der packenden Interpretation von Louis Primas «Oh Marie» mit treibendem Boogie-Piano und Saxofon-Solo.
Mitreißendes Vergnügen
Stewarts Reibeisenstimme klingt zwar nicht mehr ganz so kräftig wie früher, ist aber immer noch unverkennbar und passt perfekt zu den flotten Big-Band-Gassenhauern. Den Spaß beim Singen hört man Sir Rod an. Daneben machen die dynamischen Arrangements von Jools Hollands Rhythm & Blues Orchestra «Swing Fever» zu einem kurzweiligen und mitreißenden Vergnügen. Stewart möchte die Songs gern mit einem Orchester auf Tournee singen. «Ich hab schon mit Jools gesprochen. Wenn er keine Lust hat, dann stell ich das selbst auf die Beine.»
Der britische Altstar, der vor einigen Jahren wegen Prostatakrebs behandelt wurde und den Krebs besiegte, hat also nicht vor, in naher Zukunft kürzerzutreten. Im Gegenteil. Das Wort Ruhestand gebe es für ihn überhaupt nicht. «Streich das Wort», sagt der junggebliebene 79-Jährige, der nach eigener Aussage viel Sport treibt und seine Modelleisenbahn in riesigen Spezialkoffern auf Tournee mitnimmt, um sich die Zeit im Hotel zu vertreiben.
Was ist mit den Faces?
Sein angekündigter Abschied vom Rock’n’Roll ist wohl ebenfalls nur vorübergehend, denn auch mit seinen beiden Faces-Kollegen Ronnie Wood und Kenney Jones hat er Pläne. «Wir haben ein paar Songs, wir müssen nur die Zeit finden», sagt Stewart, dessen Asien-Tournee im März beginnt, während Wood mit den Rolling Stones auf US-Tour geht. Trotzdem hofft Stewart, dass sie bald wieder zusammen auf der Bühne stehen. «Wir müssen das machen, bevor wir unter der Erde liegen.»
Im Herzen bleibe er immer ein Rocker, sagt Rod Stewart. «Natürlich, Junge! Guck dir mein Gesicht an. Was hätte ich sonst sein sollen? Kannst du dir dieses Gesicht an einem Bankschalter vorstellen?»