München und der Wettstreit mit Berlin
Die französische Schauspielerin Isabelle Huppert kommt mit goldenen Plateau-Schuhen zum Filmfest München. Ein Bild aus alten Zeiten - doch an der Sommerstimmung des Festivals hat sich nichts geändert. (Urheber/Quelle/Verbreiter: Tobias Hase/dpa)

Es ist ein ewiges Wetteifern. München oder Berlin – welche Stadt ist die tollere Kulturmetropole? Jahrelang hatte die Bundeshauptstadt die Nase vorn, arm, aber sexy. Und München? Für viele ein stockkonservatives Millionendorf. Doch die Wahrnehmung scheint sich zu wandeln.

«München macht Berlin, seinem langjährigen Kulturrivalen, Konkurrenz», schrieb kürzlich die «New York Times». Geht man nach der Promidichte in München in diesem Sommer, könnte an dieser These etwas dran sein. Am Freitag starten gleich zwei kulturelle Höhepunkte: das Filmfest München und die Opernfestspiele.

Das Filmfest erwartet neben vielen deutschen Film- und Fernseh-Promis auch Kate Winslet, Jessica Lange, Isabelle Huppert oder Viggo Mortensen. Die Bayerische Staatsoper lockt mit Klassikstars wie Diana Damrau, Nina Stemme, Klaus Florian Vogt oder Jonas Kaufmann. Und unlängst traten AC/DC, Metallica und Ed Sheeran in München auf. Popstar Adele gibt im August gleich zwölf Konzerte. Balsam für das selbstbewusste «Mia san mia», das kürzlich durch die titellose Saison des FC Bayern gelitten hatte.

«New York Times» lobt Tradition und Innovation

«Munich is the place to be!», soll der US-Regisseur Roger Corman mal gesagt haben, der 2011 auf dem Filmfest zu Gast war. In der Tat bietet die Stadt über das Oktoberfest hinaus vieles, was Menschen aus aller Welt lieben. Die Biergärten, den Englischen Garten mit echten Nackerten, Kunstmuseen, Oper und Konzerte oder die Surfer-Welle am Eisbach. «München entwickelt sich zu einem jüngeren, entspannten Zentrum, das Tradition und Innovation auf ungewöhnliche Weise in Einklang bringt», lobte die «New York Times».

In den Ohren von Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) dürfte das Musik sein, war das Thema Kultur für ihn doch die letzten Jahre nicht immer erquicklich. Etwa die Sache mit dem Konzerthaus für das renommierte Symphonieorchester des Bayerischen Rundfunks: Das Prestigeobjekt kommt nicht in die Gänge und soll nun Jahre nach den ursprünglichen Planungen deutlich abspecken, um das Budget nicht zu sprengen.

Und in der Filmbranche liefen die Preußen den Bayern nach dem Mauerfall vielfach den Rang ab. Hollywood strömte nach Berlin, in München wurden hingegen Filmpremieren mit Weltstars rar. Vor allem jüngere Schauspielerinnen und Schauspieler zogen an die Spree. Und das, obwohl München in der alten Bundesrepublik als Hauptstadt des Films gefeiert wurde – und sich selbst feierte, mit Namen wie Rainer Werner Fassbinder, Edgar Reitz, Bernd Eichinger, Uschi Glas, Hannelore Elsner, Senta Berger oder Helmut Dietl. Auch Ikonen wie Mick Jagger, Michael Jackson oder Freddie Mercury schauten gerne vorbei.

Söder will sich nicht mit «Platz zwei» zufriedengeben

Der Stoff, aus dem Legenden sind. Und ein Ansporn, auch für Söder, der seit Jahren davon träumt, dem Filmfest München mehr Geltung zu verschaffen, ist der Freistaat doch neben der Stadt und der Spitzenorganisation der Filmwirtschaft (SPIO) einer der Gesellschafter. «Es ist nur schwer zu ertragen, dass Berlin die Nummer Eins ist», zitierte schon 2018 der Berliner «Tagesspiegel» den Landeschef. «Wir sollten uns auf Dauer nicht mit Platz zwei zufriedengeben.» München sei spannender und schöner.

In der Tat lässt sich das diesjährige Festival vielversprechend an. Während die Berlinale im tristen Februar von einem Skandal überschattet war, der sich am Krieg in Gaza entzündet hatte und bei dem es um Genozid-Vorwürfe und Antisemitismus ging, wirbt München mit Sommer-Gefühl und ambitioniertem Kino von vergnüglicher Unterhaltung bis hin zu ernsten Stoffen. Winslets sehenswertes Biopic «Die Fotografin» über die Kriegsfotografin Lee Miller feiert Europapremiere, Jessica Lange («Tootsie») mit ihrem Film «The Great Lillian Hall» die internationale Premiere.

Der neue Festivalchef Christoph Gröner und die künstlerische Leiterin Julia Weigl setzen zudem stark auf unabhängiges Kino aus den USA und reisten nach New York und Los Angeles. «Der persönliche Kontakt vor Ort ist entscheidend», sagen sie. Und sie freuen sich über steigende Aufmerksamkeit. «So werden auch die Angebote, die an uns herangetragen werden, jedes Jahr mehr.»

An Berlin wird München aber dennoch schwerlich anschließen können, allein weil das Budget des Hauptstadtfestivals etliche Millionen Euro höher ist. Doch das muss nicht zum Schaden sein. Schließlich will München vor allem ein Publikumsfestival sein. Statt unerreichbar über den abgesperrten roten Teppich zu schreiten, beantworten die Stars hier nach dem Film geduldig Fragen der Zuschauerinnen und Zuschauer und erzählen oft höchst amüsant aus ihrem Leben. Und spätestens bei einem Cocktail auf einer der vielen Partys oder einer kühlen Maß im Biergarten nach dem Kinobesuch stellt sich eine entspannte Zufriedenheit ein und Berlin rückt in weite Ferne.

Von Cordula Dieckmann, dpa