In den Albumcharts weihnachtet es sehr: Volksmusiker Andreas Gabalier, das Schlager-Duo Fantasy, Pop-Sängerin Patricia Kelly, Jazz-Pianist Jamie Cullum und Superstar Robbie Williams haben es zum Advent in die Hitparaden geschafft.
Aber neben «O Tannenbaum» und «Kling Glöckchen Klingelingeling», «White Christmas» und «Jingle Bells» ist noch viel möglich. Ein alphabetischer Überblick zu neuen Weihnachts- und Winter-Alben aus Pop, Folk, Jazz, Soul und Country.
REBEKKA BAKKEN – «Winter Nights»
«Last Christmas» – der Dauerbrenner von Wham!, hat es auf viele Fest-Alben geschafft. Besonders einfühlsam: die Zeitlupenversion der Jazz-Sängerin Rebekka Bakken (50). Pop, Country, sogar rockige Gitarren – die Norwegerin kennt keine Genre-Grenzen. «Ich habe immer davon geträumt, ein Weihnachtsalbum zu machen, denn ich liebe Weihnachtsmusik und ich liebe es, Weihnachtslieder zu schreiben», sagt die Sängerin, die sich nun einen Traum erfüllt hat, der allerdings ziemlich melancholisch ausgefallen ist. Äußerst berührend ist das tieftraurige Lied «This Year Is Different», das an Western und Tom Waits denken lässt. Geschrieben hat es Bakken nach dem Tod ihres Vaters.
BLACKMORE’S NIGHT – «Here We Come A-Caroling»
Einst war er bei Deep Purple und Rainbow der Meister des Hardrocks, inzwischen ist der Gitarrengott Ritchie Blackmore zum Minnesänger geworden. Und als solcher bringt er seinen Fans zusammen mit seiner Frau Candice Night mit der EP «Here We Come A-Caroling» ritterliche Weihnachtsständchen, die zugleich die Wartezeit auf das Studioalbum «Nature‘ Light» ihrer Band Blackmore’s Night verkürzen sollen, das im Frühling 2021 zu erwarten ist.
Blackmore und seine Frau, die Backgroundsängerin bei Rainbow war, hatten die Band 1997 gegründet, um ihrer gemeinsamen Liebe für traditionellen Folk-Rock eine Bühne zu geben. Vergessen waren seine Riffs an der Spitze von Deep Purple, stattdessen machte er seine Fingerübungen mit Mittelalter-Klängen, die vor allem in Deutschland bei Ritterspielen gut ankamen.
In dieser musikalischen Tradition entschlossen sich Blackmore und seine Frau, mit ihren Fans Weihnachten zu feiern. Zwar bietet die limitierte EP nur von Candice Night gesungene Lieder mit einer Gesamtdauer von knapp zehn Minuten, doch Weihnachtssongs, gespielt von einem Gitarrenvirtuosen, der beim Musikmagazin «Rolling Stone» auf Platz 50 der ewigen Bestenliste der Gitarristen rangiert, sind als musikalischer Leckerbissen nicht zu verachten – «Silent Night» statt «Highway Star» oder «Smoke On The Water».
ANDREA BOCELLI – «Believe»
«You’ll Never Walk Alone» – was könnte in diesen finsteren Zeit mehr Trost spenden. Schönheit, Entspannung und Zuversicht wolle er schenken, meint Andrea Bocelli, der mit «Believe» kein klassisches Weihnachtsalbum aufgenommen. «Das Konzept hinter ‚Believe‘ basiert auf drei Worten: Glaube, Hoffnung und Nächstenliebe», sagt Bocelli.
Und mit seiner Lieder-Auswahl, in weiten Teilen die Seele erhebende Kirchenmusik aus vielen Jahrhunderten, will der italienische Tenor eine Brücke schlagen: Dabei spannt sich der Bogen von Mozart zu Bizet, aber auch von Leonard Cohen zu Ennio Morricone.
Besonders weihnachtlich aber wird es am 12. Dezember. Dann soll ein Auftritt von Andrea Bocelli aus dem Opernhaus Teatro Regio di Parma in Italien live gestreamt wird. Das Motto: «Believe in Christmas» (Glaube an Weihnachten).
CALEXICO – «Seasonal Shift»
So geht’s auch: Weihnachten als Wüstenrock- und Mariachi-Party. Wer könnte das besser als die bewährten Stilmixer von Calexico, also die seit über 20 Jahren populäre US-Band um Sänger/Gitarrist Joey Burns (54) und Schlagzeuger John Convertino (57). Da schmettern die Bläser, die zwischen Arizona und Mexiko vermittelnden Rhythmen sind feurig, und doch kommt erhabene Stimmung auf in «Christmas All Over Again» oder dem Titelsong «Seasonal Shift».
Fado, Rumba und Folk finden ebenfalls ihren Platz in den zwölf Stücken, unter denen sich ein hübsches Cover von John Lennons «Happy Xmas (War is Over)» befindet. Wer Weihnachten gern als Indiepop-Fest feiert, kann dies auch mit dem US-Singer-Songwriter Andrew Bird tun – er nimmt sich auf seinem feinen Album «Hark!» ähnliche Freiheiten wie die Calexico-Kollegen.
DE-PHAZZ & Co. – «Music to unpack your Christmas present»
Was kommt gleich nach dem Kuss unter dem Mistelzweig? Na klar, das Auspacken der Geschenke – und De-Phazz & Co. haben den passenden Sound dafür, damit daraus ein ganz entspannter Moment wird. «Musik zum Auspacken des Weihnachtsgeschenks» haben sie ihr Album genannt, das sich fein zwischen chilligem Jazz und Bossa Nova ein Plätzchen eingerichtet hat.
Dabei schreiben die selbsternannten Loung-Punks aus Heidelberg mit zahlreichen Freunden einen Brief an den Weihnachtsmann («Lettre Au Père Noël»), lassen die Glöckchen erklingen («Jingle Bells») oder driften ganz relaxt auf dem «Moon River» dahin. «Un billet pour le bonheur» haben De-Phazz ins Aufklapp-Cover drucken lassen – «eine Fahrkarte ins Glück». Federleicht. Hier einzulösen.
CHILLY GONZALES – «A Very Chilly Christmas»
Der kanadische Pianist und Entertainer hat bekanntlich ein Faible für Ironie und schrägen Humor. Auf seinem Winterzeit- und Weihnachtsalbum geht Jason Charles Beck (48) alias Chilly Gonzales die Sache freilich ernsthaft an. Sein Klavierspiel ist makellos schön in Klassikern wie «Silent Night» oder «Jingle Bells», die Auswahl seiner Gäste erlesen. «In The Bleak Midwinter» deklamiert der britische Chilly-Kumpel Jarvis Cocker (früher Pulp), der später auch noch mit der Kollegin Leslie Feist singt: Das gemeinsame «Snow Is Falling In Manhattan» (im Original vom 2019 gestorbenen US-Songwriter David Berman) wird zum bewegenden Höhepunkt einer prachtvollen Fest-Platte.
JAMIE CULLUM – «The Pianoman At Christmas»
Jamie Cullum (41) zündet in diesem Jahr ein paar besonders schöne musikalische Lichter an. «The Pianoman At Christmas» heißt sein Beitrag zum Fest. Da klingen die Glöckchen, perlen die Piano-Töne durch die Winterlandschaft, wird das Saxofon entfesselt. Mit seinem mal sanften, mal erhabenen Bigband-Sound lässt der Brite die klassische Swing-Ära wieder aufleben. «Last Christmas» oder «Little Drummer Boy» sucht man auf seinem Album vergeblich: Der vielseitige Jazzer hat alle zehn Songs selbst geschrieben und im legendären Londoner Abbey Road Studio 2 aufgenommen. Es weht viel Nostalgie durch diese Lieder – auf einem Album, das sich mit Swing, Jazz und Pop einen Platz neben Michael Bublés «Christmas» sichern kann.
KELLY FINNIGAN – «A Joyful Sound»
Einen originellen Zugang zur Weihnachtsmusik findet dieser talentierte Soul-Sänger aus dem US-Bundesstaat Ohio. Im höchsten Maße «joyful», also freudvoll, sind sein Bandsound und seine tolle Stimme tatsächlich. Auf den Klang von Schlittenglöckchen folgen elf Stücke: gemütvolle Balladen wie der Titelsong und temperamentvolle Stampfer im Motown-Stil der Sixties wie «Santa’s Watching You». Kelly Finnigan (39) hat hier eine Retro-Soul-Traumbesetzung (unter anderen Mitglieder von Monophonics und The Dap-Kings) für eine Produktion versammelt, die den Musiker als Top-Songwriter und -Performer zeigt.
ANGELO KELLY & FAMILY – «Coming Home For Christmas»
Ihre «Irish Christmas Tour» mussten Angelo Kelly (38) und seine Familie wegen der Corona-Pandemie verschieben, aber irische Weihnacht wird natürlich trotzdem gefeiert. Das Vakuum haben sie genutzt, um «Coming Home For Christmas» aufzunehmen. Die Platte solle den Menschen Kraft schenken, sagt Angelo Kelly, «und sie daran erinnern, wie wertvoll und besonders das Leben ist». Herzerwärmend, besinnlich («White Christmas»), traditionell («The Little Drummer Boy»), stilistisch auch mal Rock und Pop («All Christmas Night») – hier wird ein Irish-Folk-Feuerwerk abgebrannt, das ein Konzert nicht ersetzen kann, aber Kelly-Fans glücklich in die Weihnachtszeit entlässt.
PATRICIA KELLY – «My Christmas Concert»
Patricia Kelly (51) – seit vielen Jahren auch ohne die Familie solo unterwegs – ist ebenfalls ganz auf Weihnachten eingestellt. Auf ihrem Live-Album «My Christmas Concert» geht es international und sehr traditionell zu – mit einer klaren Vorliebe: «Deutsche Weihnachtslieder sind für mich die schönsten auf der ganzen Welt», sagt sie. Und so beginnt sie mit «Es ist ein Ros entsprungen» und endet mit «Stille Nacht».
Aber bei der Sängerin wird auch ordentlich mitgeklatscht und textsicher mitgesungen wie in dem entfesselten «Angels We Have Heard On High», das der Sängerin einen wohligen Seufzer entlockt. Dazwischen gibt es manche Piano-Ballade («The First Noel»), besinnlich-erhabene Weisen («Brothers And Sisters»), Flamenco-Feuer («Villancicos De Navidad») oder Rock-Pop-Jazz-Ausflüge («Oh Come All Ye Faithful»). Höhepunkte sind dabei John Lennons Friedenslied «Happy XMas (War Is Over)» und natürlich der mitreißende Kelly-Superhit «An Angel». Da werden alle Herzen weich.
NILS LANDGREN – «Christmas With My Friends VII»
Ein Weihnachtsmusik-Routinier ist dieser schwedische Jazz-Posaunist und Sänger mit Wahlheimat Deutschland. Der Erzromantiker Nils Landgren (64) spielt seit 15 Jahren unter dem Titel «Christmas With My Friends» festliche (und sehr erfolgreiche) Alben ein. Um den siebten Anlauf gut zu begründen und erneut reizvoll zu gestalten, hat Landgren sein Spektrum global erweitert. Als Frontmann eines achtköpfigen Ensembles spielt und singt er Weihnachtslieder zwischen Jazz, Klassik, Folklore und Soul – aus Schweden und Deutschland, aber auch Österreich (Franz Schuberts «Ave Maria») und Puerto Rico (José Felicianos «Feliz Navidad») sowie Irland, Russland, Polen, Island, Großbritannien, Finnland, Belgien, USA. Sehr behaglich, das Ganze.
ANNETT LOUISAN – «Kitschmas»
Annett Louisan (43) nimmt Weihnachten ernst. «Kitschmas» hat sie ihre digitale Mini-EP mit drei Songs genannt, die an große Swing- und Jazz-Sängerinnen wie Judy Garland, Ella Fitzgerald oder Julie London erinnern – und mit denen sich die Chanson-Sängerin durchaus messen kann. Mit großem Orchester und anschmiegsamer Stimme startet sie in «The Christmas Song», setzt in der Gitarren-Klavier-Ballade «Have Yourself A Merry Little Christmas» auf Reduktion, um mit einer galoppierenden Version von «All I Want for Christmas» geht es Richtung Pop. Ein herrlich klassisches Album, in dem sich der Geist der Weihnacht spiegelt.
DOLLY PARTON – «A Holly Dolly Christmas»
Aus dem Weihnachtsgeschäft hat sich Dolly Parton (74) lange ziemlich herausgehalten, jetzt aber gibt es für ihre Fans gleich doppelt Grund zur Freude. Parallel zum Album ist auf Netflix das Weihnachtsmusical «Christmas On The Square» erschienen, für das die Country-Queen 14 Originalsongs geschrieben hat. Fünf Parton-Lieder gibt es auch auf «A Holly Dolly Christmas» zu hören – und natürlich eine ganze Reihe vertrauter Klassiker («All I Want For Christmas Is You») im luftigen Country-Gewand. Neben Gaststars wie Schönsänger Michael Bublé oder Country-Ikone Willie Nelson sind Bruder Randy Parton, Patentochter Miley Cyrus und deren Vater Billy Ray Cyrus an Bord. Die Stimmung ist feierlich, ein wenig kitschig – so soll Weihnachten ja auch sein.
MEGHAN TRAINOR – «A Very Trainor Christmas»
«Du bist mein, mein Engel vom Himmel/Also geh und sag dem Weihnachtsmann/Bring mir nichts», singt Meghan Trainor (26) in dem Song «My Kind Of Present», mit dem sie ihr Album «A Very Trainor Christmas» eröffnet. In der Tat, Meghan Trainor hat ihr größtes Geschenk schon bekommen: die Pop-Sängerin verkündete Anfang Oktober, dass sie schwanger sei. Ihr Christmas-Album ist ein bunter und abwechslungsreicher Pop-Mix aus Klassikern («White Christmas») und Eigenkompositionen – entstanden mit tatkräftiger Unterstützung der ganzen Familie. Ihre Brüder Ryan und Justin Trainor haben den Opener mitkomponiert, und Meghans Vater Gary sitzt bei «Have Yourself A Merry Little Christmas» am Klavier. Earth, Wind & Fire sorgen auf «Holidays» für zusätzlichen Weihnachtsschwung.
CARRIE UNDERWOOD – «My Gift»
Sie gehört zu den Superstars der Country-Musik: Carrie Underwood (37). Auf ihrem Album «My Gift» konzentriert sich die Sängerin mit zahlreichen Traditionals («Oh Holy Night») allerdings mehr auf die klassisch-spirituelle Seite des Weihnachtsfestes. Schon als Dreijährige begann Carrie Underwood im Kirchenchor zu singen. Und so ist «My Gift auch eine Reise in Zeit und Raum zurück in die Vergangenheit. Erhaben, feierlich, einfühlsam. Einer der Höhepunkte von «My Gift» ist das Duett mit Superstar John Legend, mit dem sie das «Hallelujah» anstimmt.
VARIOUS ARTISTS – «Christmas Together»
Traditionell zu Weihnachten bringt auch das Independent-Label Nettwerk eine Christmas-Compilation auf den Markt, bei der einmal mehr etwas andere Töne angeschlagen werden – wobei in diesem Jahr herzerwärmender Singer-Songwriter-Folk-Pop dominiert. Grizfolk starten mit «All I Want for Christmas Is a Rock Show» und geben zunächst ein rasantes Tempo vor. Mit dabei ist Kyle Gass, der ansonsten zusammen mit Jack Black als Tenacious D für herrlichen Rock’n’Roll-Unfug sorgt.
Aber nicht nur ausgelassener Party-Stoff der Nettwerk-Künstler ist dabei. Zum Dahinschmelzen und Schmachten ist etwa die Cover-Version «Have Yourself a Merry Little Christmas» von Ten Kills the Pack. Und Sammy Rae macht aus «Last Christmas» eine funky Dancefloor-Nummer mit starkem Bläsersound. Bei Christopher Elliots ätherischem Song «Emmanuel» (Feat. Georgie) ist man schließlich dem Himmel ganz nah.