Nach erneuten Antisemitismus-Vorwürfen fordern die Gesellschafter der documenta in Kassel, die diskutierten Zeichnungen «bis zu einer angemessenen Kontextualisierung» aus der Ausstellung zu nehmen.
«Der Umgang mit den Zeichnungen zeigt, wie dringend notwendig die externe Expertise bei der Analyse von Werken auf antisemitische (Bild-)Sprache ist», teilten sie über die documenta und Museum Fridericianum gGmbH am Donnerstag mit.
Neue Werke sorgen für scharfe Kritik
Die beiden Gesellschafter – die Stadt Kassel und das Land Hessen – reagierten damit auf erneute Antisemitismus-Vorwürfe gegen die documenta fifteen. Bereits zu Beginn der Kunstausstellung musste ein Werk mit antisemitischen Darstellungen abgehängt werden. An diesem Mittwoch tauchten dann neue Werke auf, die für scharfe Kritik sorgten. Nach Angaben der Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus Hessen (RIAS Hessen) hatte ein Besucher der Weltkunstschau entsprechende Darstellungen im Museum Fridericianum bemerkt und RIAS Hessen gemeldet.
Die Gesellschafter hätten von den kritisierten Darstellungen erstmals am Dienstagabend über die Sozialen Netzwerke erfahren. «Der documenta-Leitung war dies bereits vor drei Wochen bekannt, nachdem eine Besucherin auf die Zeichnungen aufmerksam gemacht hat», hieß es in der Mitteilung. Die umgehende rechtliche Bewertung der Zeichnungen durch Externe sei ein richtiger Schritt gewesen. «Die Frage, ob hier antisemitische Bildsprache vorliegt, wurde leider lediglich intern bewertet. Es wurde versäumt, eine geeignete Kontextualisierung vorzunehmen und die Besucherin über das Ergebnis der Klärung zu informieren», monierten Stadt und Land.
documenta weist Vorwürfe zurück
Es handele sich bei den Zeichnungen nicht um ein ausgestelltes Kunstwerk, sondern um Archivmaterial, das auf der documenta fifteen präsentiert werde. «Aber auch hier ist angesichts der antisemitischen Bildsprache verantwortungsvolles Kuratieren wichtig und es braucht zumindest eine geeignete Kontextualisierung.»
Die documenta selbst hatte die Vorwürfe am Mittwoch zurückgewiesen. Das historische Archivmaterial sei vor rund drei Wochen vorübergehend aus der Ausstellung genommen worden, um es eingehender zu betrachten. «Nach der Untersuchung gibt es zwar eine klare Bezugnahme auf den israelisch-palästinensischen Konflikt, aber keine Bebilderung von Juden „als solchen“», hieß es in einer Stellungnahme. Das Werk sei als strafrechtlich nicht relevant eingestuft worden.
Claudia Roth: Expertise ernst nehmen
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) ist indes für eine zumindest zeitweilige Entfernung der neuen als antisemitisch kritisierten Kunstwerke von der documenta. «Es ist gut und richtig, dass die Gesellschafter der documenta die künstlerische Leitung jetzt aufgefordert haben, diese Zeichnungen aus der Ausstellung zu nehmen», sagte Roth am Donnerstag in Berlin.
«Der Umgang mit diesen Zeichnungen vor dem Amtsantritt von Herrn Farenholtz zeigt erneut, wie wichtig und notwendig ein externes Gremium von Expertinnen und Experten ist, das eine Analyse und Einordnung der auf der documenta gezeigten Werke in Bezug auf mögliche antisemitische Bildsprachen vornimmt. Diese Expertise sollte dann von den Verantwortlichen der documenta auch sehr ernst genommen werden.»