Er hat mit Benny Goodman, John Coltrane und Chick Corea gespielt: Rolf Kühn trat mit den Größen des Jazz auf und war selbst doch ein eher stiller Star. Nun ist der in Köln geborene Klarinettist im Alter von 92 Jahren in Berlin gestorben.
«Rolf wird immer als der inspirierende, sanfte, innovative und jung gebliebene Künstler und Mensch in Erinnerung bleiben, der er war», teilten Kühns Ehefrau Melanie, sein Bruder sowie die Agentur Jazzhaus Artists und das Label Edel/MPS mit. «Er lebte ein erfülltes Leben, das bis zu seinem letzten Tag der Musik, der Kultur und der Freude gewidmet war.» Kühn starb den Angaben zufolge am 18. August.
Ein deutscher Weltstar
Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) bezeichnete Kühn in einer Mitteilung als «einen Ausnahmemusiker, einen der wenigen deutschen Weltstars des Jazz». Mit unerschöpflicher Vitalität und breiter stilistischer Vielfalt habe er «die Geschichte der Jazzmusik in Deutschland und weit darüber hinaus tief geprägt und Generationen von Musikerinnen und Musikern beeinflusst».
Als Sohn eines Akrobaten wurde Kühn am 29. September 1929 in Köln geboren und wuchs in Leipzig auf. Eigentlich wollte er in die Fußstapfen des Vaters treten und trainierte als Kind jeden Tag. Um die akrobatischen Nummern aufzulockern, brachte sein Vater ihm verschiedene Instrumente mit. Kühn probierte Akkordeon, Klavier, Saxofon und Hawaiigitarre aus – mit mäßiger Begeisterung. Bei der Klarinette war es dagegen «Liebe aufs erste Hören», wie er vor einiger Zeit in einem Interview mit der Deutschen Presse-Agentur sagte.
Den Musikunterricht musste er heimlich nehmen: Seine Mutter war Jüdin, ihr Tabakladen wurde in der Pogromnacht von 1938 zerstört. Rolf Kühn durfte nicht ans Konservatorium.
Benny Goodman begeistert Kühn
Während seiner klassischen Ausbildung war es eine Benny-Goodman-Platte, die ihn für den Jazz begeisterte. Als 17-Jähriger erhielt er sein erstes Engagement, 1950 begann er eine Karriere beim RIAS-Tanzorchester in Berlin. Schon als junger Künstler entwickelte er einen warmen, strahlenden Ton, den Kritiker als unverwechselbar beschrieben.
Von Berlin aus zog es ihn 1956 nach New York. Dort stellte ihn der Pianist Friedrich Gulda – ein Bekannter aus Berlin – dem Produzenten John Hammond vor, der schon mit Benny Goodman, Count Basie und Billie Holiday gearbeitet hatte. Hammond ermöglichte dem Deutschen seine erste Platte und ließ ihn mit einem neugegründeten Quartett die Ostküste entlang bis in die Südstaaten touren.
Zurück in New York, kannte er bald alle Größen der Szene und spielte in den wichtigsten Clubs. Dass ihm im naturgemäß sehr kritischen «Mutterland des Jazz» eine solche Karriere gelang, schrieb der Klarinettist selbst einer Mischung aus «Glück und einem sehr ausgeprägten Ehrgeiz» zu.
1962 ging es zurück nach Deutschland, wo Kühn Leiter des NDR-Fernsehorchesters wurde. Außerdem begann er, als Dirigent und Komponist zu arbeiten. Er schrieb Musiken für Film und Fernsehen und war als musikalischer Leiter verschiedener Theaterhäuser tätig.
Rolf Kühns mehr als 14 Jahre jüngerer Bruder, der Pianist Joachim Kühn, kam 1966 ebenfalls nach Westdeutschland. Seitdem traten die beiden immer wieder auch zusammen auf.
Drei Mal wurde Rolf Kühn beim europäischen Jazz-Wettbewerb zum besten Klarinettisten gekürt. 2011 erhielt er den Echo für sein Lebenswerk, 2018 die German Jazz Trophy.