Als die Drehbuchautoren irgendwann nicht mehr weiter wussten, schickten sie einfach Männer mit Maschinenpistolen in die Hochzeitsgesellschaft. Das minutenlange Gemetzel am Ende der fünften Staffel von «Der Denver-Clan» ist eingefleischten Fans als das «Moldawien-Massaker» in Erinnerung.
Die amerikanische Fernsehserie mutete den Zuschauern in den 80er Jahren so manchen üblen Cliffhanger zu, aber dieser war der schlimmste. «Der Denver-Clan», das war wie «Dallas» ohne Prolls, dafür mit mehr Sex Appeal. Vor 40 Jahren – am 12. Januar 1981 – strahlte der US-Sender ABC die erste Folge des Dauerbrenners aus. Als das ZDF mehr als zwei Jahre später den Pilotfilm zeigte, saßen 45 Prozent des Publikums vor dem Bildschirm.
Für viele Mitwirkende war der «Denver-Clan» Höhepunkt ihrer Karriere. Linda Evans war Ende 30, als sie die engelsgleiche Krystle zu spielen begann. Eine Sekretärin, die den fast 25 Jahre älteren Ölmagnaten und Patriarchen Blake Carrington heiratet und in ein Netz von Intrigen stolpert. Auch mehr als drei Jahrzehnte nach dem Ende der Serie besitzt Evans in Deutschland eine treue Fangemeinde, wie sie kürzlich der Deutschen Presse-Agentur erzählte. «Ich bekomme mehr Fanpost aus Deutschland als aus jedem anderen Land Europas.» Diese Leute sagen Dinge zu ihr wie: «Der Denver-Clan, das bist Du.» Krystle und Blake, das war ein seltsames Paar. Sie: die Schönheit von nebenan. Er: der Mann von Welt mit scharfen Zügen, die an einen Nussknacker erinnern.
Und die Familien-Mischpoke hatte es in sich: Setzten in der ersten Staffel noch freche Dienstboten und Blakes trotzige Tochter Fallon (immer mit sehr viel Rouge: Pamela Sue Martin) der armen Krystle zu, so betritt mit der zweiten Staffel erst die eigentliche Schurkin die Bühne: Alexis Carrington, gespielt von Joan Collins. «Das Biest Alexis» war in den 80ern eine stehende Wendung – genau wie «der Kreml-Flieger Mathias Rust» oder «der saure Regen».
Die in London geborene Joan Collins hatte, als sie dazustieß, bereits viele Filme gedreht. Sie hatte etwa einen viel beachteten Gastauftritt bei «Raumschiff Enterprise» gehabt. Das meiste andere war aber leider großer Schund gewesen – wie das Machwerk «In der Gewalt der Riesenameisen» (1977). Im Machtkampf der Carringtons mit ihren ewigen Konkurrenten, den Colbys, wird sie zur Schlüsselfigur.
Apropos Konkurrenz: Die herrschte auch zwischen «Der Denver-Clan» (ZDF) und «Dallas» (Das Erste). Dabei zogen die Carringtons oft den Kürzeren. Die «Frankfurter Allgemeine» 1983: «Wie großkapitalistisch und elegant sich diese Leute in Denver auch geben mögen, sie sind allesamt seelische Schmuddelkinder.» Der «FAZ»-Autor stützte sich auf den Philosophen Peter Sloterdijk und folgerte vernichtend: «Keine Untat ohne Größe!» In einer «Bunte»-Umfrage zeigten 2000 Bundesbürger der Serie die kalte Schulter: «Dallas» ist demnach «lebensnäher», «amerikanischer» (das war damals ein Kompliment), «intriganter», «spannender» und hatte «die schöneren Frauen» zu bieten. Etwa ein Drittel hielt Blake und Krystle die Treue, über die Hälfte «Dallas».
Es würde jeden Rahmen sprengen, die Verwicklungen in «Dynasty» – wie «Der Denver-Clan» im Original heißt – auch nur ansatzweise wiederzugeben. Es geht um Geld, um Macht, um Intrigen, um Sex, um platte Reiche-Leute-Klischees. Tochter Fallon schläft mit ihrem Chauffeur, Sohn Steven hat nach einem quälenden Hin und Her endlich sein schwules Coming-out. Farnsworth «Dex» Dexter (Michael Nader) schläft mit Alexis, aber auch mit deren Tochter Amanda. Wer sich durch die Dekadenz und Inzucht ans Alte Rom erinnert fühlt, liegt nicht ganz falsch. Der historische Roman «Ich, Claudius, Kaiser und Gott» (1934) von Robert Graves soll alles inspiriert haben. Relativ uninspiriert ist hingegen das Netflix-Remake von «Dynasty» (2017).
Irgendwann gingen den Autoren Ende der 80er die Geschichten aus. Nach dem «Moldawien-Massaker» von Terroristen auf der Hochzeit von Amanda und Prinz Michael, bei dem es wie durch ein Wunder nur zwei Tote gab, quälte sich «Der Denver-Clan» noch durch mehrere Staffeln. Die Serie wurde 1989 nach 218 Folgen mehr oder weniger sang- und klanglos abgesetzt. Von zeitloser Schönheit bleibt der Vorspann mit Bill Contis Titelmusik: Zur Klangwand von Violinen plätschern Oboe und Flöte, während der Bildschirm sich wie ein Springbrunnen öffnet und eindrucksvolle Aufnahmen von Colorado zeigt. Einfach zeitlos schön.