Die Schauspielerin Valery Tscheplanowa hat in einer der wichtigsten männlichen Rollen der deutschen Theaterliteratur das Publikum der Salzburger Festspiele begeistert. In ihrer Interpretation war die Titelfigur von Gotthold Ephraim Lessings «Nathan der Weise» kein altersmilder Toleranz-Prediger, sondern ein Jude, der inmitten von brutalem Antisemitismus permanent um seine Existenz kämpft.
Tscheplanowa wurde bei der Premiere in Hallein bei Salzburg am Freitagabend nicht nur für diese Leistung bejubelt, sondern auch dafür, dass sie die Produktion des Regisseurs Ulrich Rasche gerettet hatte. Die Schauspielerin war nur wenige Wochen vor Beginn der Aufführungen eingesprungen, nachdem die ursprünglich als Nathan vorgesehene Judith Engel aus gesundheitlichen Gründen kurzfristig abgesagt hatte.
Tscheplanowa hat sowohl Erfahrung mit klassischen Männerrollen wie Franz in Schillers «Die Räuber», als auch mit dem renommierten Festival in der österreichischen Mozartstadt. Dort spielte die auch aus Film und Fernsehen bekannte Darstellerin 2019 im Traditionsstück «Jedermann» die Buhlschaft an der Seite von Tobias Moretti. Ein Jahr davor arbeitete sie in Salzburg mit Rasche in seiner erfolgreichen Produktion von Aischylos‘ antikem Drama «Die Perser» zusammen.
Der deutsche Regisseur und Bühnenbildner setzte für seinen «Nathan» erneut auf sein Maschinentheater. Die Darstellerinnen und Darsteller marschierten fast vier Stunden lang auf einer sich ständig bewegenden Drehbühne und deklamierten äußerst eindringlich Lessings Drama um religiöse Toleranz zwischen Juden, Muslimen und Christen in Zeiten der Kreuzzüge. Mithilfe von Lichteffekten und Nico van Werschs live gespielter Musik schuf Rasche ein hypnotisierend pulsierendes Gesamtkunstwerk.
Der Fokus lag dabei aber nicht auf Effekten, sondern auf der Analyse des etwa 240 Jahre alte Textes, dessen ausgrenzende und brutale Sprache in Rasches Regie herausgearbeitet wurde. Neben Tscheplanowa stachen Julia Windischbauer als Nathans Ziehtochter Recha und Mehmet Atesci als Tempelritter hervor.