Sie ist die «Queen of Metal»: Doro Pesch (59) tobt seit nunmehr 40 Jahren mit ihrer blonden Mähne über die Bühnen dieser Welt. Die Heavy-Metal-Frontfrau wird am 2. August erneut beim Wacken-Open-Air vor fast 80.000 Menschen stehen. Der Weg dahin war nicht nur hart, sondern mitunter auch lebensgefährlich, verrät sie der Deutschen Presse-Agentur.
An ihr erstes Warlock-Konzert vor 40 Jahren in einem Düsseldorfer Jugendclub kann sie sich gut erinnern, denn bei ihrem Bühnen-Debüt fehlte die Bühne: «Das war sehr schräg. Es gab keine Bühne und die gut 80 Zuschauer saßen im Schneidersitz. Immerhin gab es schon erste Ansätze von Headbangen.»
Feuertaufe für Pesch
Ihre eigentliche Feuertaufe hatte sie da schon hinter sich: «Das war mit meiner ersten Band Snakebite.» Ein Auftritt in der Düsseldorfer Kiefernstraße, damals Hausbesetzer-Szene und Punk-Hochburg: «Da waren 120 Punks und etwa 30 Metalheads – und die waren sich damals noch nicht so grün wie heute», sagt Pesch.
«Ein Punk hat während des Auftritts die ganze Zeit mit einer Pistole auf mich gezielt – bis er total betrunken auf die Bühne kippte. Als sie ihm die Waffe abgenommen haben, stellte sich heraus: Die war geladen.» Die Punks hätten dann noch die Bühne gestürmt und die Ausrüstung zerstört. «So lebensgefährlich hatte ich mir das nicht vorgestellt.»
Es blieb nicht die einzige brenzlige Situation: «Unser Proberaum stand oft unter Wasser. Das war auch gefährlich mit den E-Gitarren. Wir haben auf Paletten geprobt. Zudem waren die Anwohner wegen des Lärms ziemlich sauer. Auf dem Weg in den Proberaum haben wir von oben so einiges abbekommen – auch mal Pipi.»
Schwere Krankheit
Doch damit nicht genug: «Ich lag als Auszubildende mit viel zu spät diagnostizierter Tuberkulose sehr lange im Krankenhaus und dachte mehrere Monate, dass ich sterben würde. Viele um mich herum in der Klinik sind gestorben. Das war wie in einem ganz heftigen Film.» Kaum genesen und aus dem Krankenhaus entlassen, hat die nur 1,53 Meter große Sängerin nur ein Ziel: «Zwei Wochen später hatte ich meine erste Band.»
Geboren ist Pesch in Düsseldorf als Tochter eines Fuhrunternehmers, inzwischen lebt sie in Miami (Florida/USA) – nachdem Hurrikans auf Long Island bei New York ihr Haus zwei Mal verwüstet hatten und ihr gesamter Hausstand im Meer landete: «Es war alles weg. In Florida gibt es zwar auch Hurrikans, aber jetzt wohne ich in einem Haus aus Beton und nicht mehr aus dünnem Holz.»
Sie hat mehr als zehn Millionen Alben verkauft und 3500 Konzerte in 60 Ländern gegeben. Als erste Frau konnte sie als Sängerin und Bandleaderin in der Männerdomäne Heavy Metal Fuß fassen.
Vorreiterin mit Erfolg
Mit dem Warlock-Debüt-Album «Burning the Witches» begann 1984 ihr Aufstieg: «Wir haben bei unserer ersten Platte mit 100 Käufern gerechnet – nach einem Monat waren es 25.000», erinnert sich die 59-Jährige.
Mit Warlock wird ihre Karriere international. Schließlich steht sie vor 120.000 Fans beim «Monsters of Rock» in England als erste Frontfrau auf der Bühne: «Das war mir gar nicht so bewusst, dass ich die erste Frau war. Aber so war es.»
Warlock wird Vor-Band ihrer eigenen Lieblingsband Judas Priest: «Das war 1986, eine Riesen-Tournee in den ganz großen Hallen – das war der absolute Wahnsinn.» Doch dann zerfällt die Band und nicht nur der Bandname, sondern auch viel Geld sind futsch.
Stehaufmädchen Doro Pesch macht unter ihrem eigenen Namen weiter und ist in der Metal-Szene inzwischen weltweit eine feste Größe.
Besonders erfolgreich sei sie seit einiger Zeit in einem südamerikanischen Land: «Brasilien ist die absolute Nummer Eins. Da gibt es einen Doro-Tag, den die da feiern – das ist der 3. Juni, mein Geburtstag.» An den Abrufzahlen im Internet sehe sie: «São Paulo ist eine Doro-Hochburg. Wir haben da gerade gespielt und es ging so wahnsinnig ab.»
Keine Drogen, keine Skandale
Am Mittwoch tritt Pesch beim Wacken-Open-Air in Schleswig-Holstein auf. Zum ersten Mal war sie vor 30 Jahren dort. «Doro ist ein Urgestein der Szene», sagt Wacken-Mitbegründer Thomas Jensen.
Doro Peschs Karriere steht für Durchhaltewillen und Disziplin: keine Drogen, keine Skandale. «Die Musik ist meine Droge, die Fans sind meine Familie. Von mir gibt es nach dem Konzert höchstens noch eine Umarmung – mehr nicht. Ich bin dann total erschöpft.» In der Anfangszeit habe sie sich lange Zeit kaum Schlaf gegönnt. Immer sei es um die Band gegangen. Nachts habe sie Plakate für die Auftritte geklebt.
Auch während der Corona-Pandemie gönnt sie sich keine lange Pause, arbeitet in Studios an ihrem neuen Album, gibt Autokino- und Strandkorb-Konzerte, singt sogar mit Atemschutzmaske. «Das war superanstrengend. Aber wenn die Autos im Autokino geschaukelt haben, hat mich das glücklich gemacht. Und wir haben es geschafft, die Band und die Roadcrew am Leben zu halten.»
Beinahe wäre das mit ihrer Karriere aber doch noch schief gegangen und zumindest Mitschuld wäre der legendäre Lemmy Kilmister von Motörhead gewesen. Vor einem entscheidenden Auftritt vor den Größen ihrer Branche war sie in London in einem Pub zufällig zum ersten Mal dem Motörhead-Frontmann über den Weg gelaufen. Der habe sie sofort erkannt – und regelrecht abgefüllt. «Und das, obwohl ich eigentlich nie was trinke», beichtet Pesch.
Bei dem wichtigen Auftritt habe sie dann wenige Stunden später prompt ihren Text vergessen. Schließlich sei es aber auch Kilmister gewesen, der dafür gesorgt habe, dass sie noch eine zweite Chance bekam.
Der Rest des Jahres steht im Zeichen der «Queen of Metal»: Am 27. Oktober kommt ihr neues Studio-Album heraus: «Conqueress – Forever Strong And Proud». Darauf zollen Rob Halford (Judas Priest) und Sammy Amara (Broilers) der blonden Rock-Röhre mit Duetten Tribut. Einen Tag später, am 28. Oktober kommt es dann zum Heimspiel vor vermutlich 7500 Zuschauern in Düsseldorf, wo alles begann.