In deutschen Museen lagern mehr als 40 000 Objekte aus der früheren deutschen Kolonie Kamerun, eine sehr große Zahl davon wurde während der Kolonialzeit geraubt und landete in den Sammlungen. Nach Jahrzehnten des Zögerns werden jetzt nach und nach Raubgut-Stücke auch aus anderen Regionen zurückgegeben. Schlagzeilen machten zuletzt die berühmten Benin-Bronzen aus dem heutigen Nigeria, auch menschliche Überreste anderer Kulturen sind bereits übertragen worden.
Nun wollen elf deutsche Museen der Weltkulturen und die Länder das Thema der möglichen Rückgabe und der Zusammenarbeit auf eine breitere Basis stellen und einen Dialog mit Kamerun aufnehmen. Nach einem ersten Treffen mit Delegationen und Vertretern traditioneller Königshäuser aus Kamerun in Stuttgart hoffen die Häuser auf einen persönlichen Austausch und wachsendes Vertrauen.
Was wollen die Museen erreichen?
Ziel sei ein gesamtdeutsches Vorgehen der Museen, sagte die Direktorin des Linden-Museums in Stuttgart, Inés de Castro, am Montag am Rande des Treffens. «Wir wollen nach Wegen der Restitution und nachhaltiger Kooperation mit Kamerun suchen.» Außerdem sollen die Herkunftsgesellschaften ein wichtiges Wort in der Debatte mitsprechen können. Aus Sicht der baden-württembergischen Wissenschaftsministerin Petra Olschowski (Grüne) muss auch geklärt werden, an wen und wann Rückgaben stattfinden können und wer einzubeziehen ist. In der Stuttgarter Sammlung wird die größte kamerunische Sammlung in Deutschland mit rund 8000 Objekten aufbewahrt.
Und was erwartet die Delegation aus Kamerun?
Beim Treffen in Stuttgart betonte Delegationsleiterin Rékia Nnunfu Ngeh, der Staat Kamerun müsse die zentrale Rolle im Prozess um die Rückgabe von Kulturgütern einnehmen. Auch beim Zeitplan (Roadmap) wollen die Afrikaner eine entscheidende Rolle spielen. Das sagte Anna Bartels vom Auswärtigen Amt bereits zu. «Das Tempo im Rückgabeprozess wird von Kamerun gesetzt, nicht von Deutschland», sagte sie.
Warum nehmen auch die traditionellen Königshäuser am Dialog teil?
Auch die Vertreter vieler traditioneller Gruppen reklamieren das Besitzrecht für sich. Denn für viele indigene Völker spielt die Beziehung zu ihren Vorfahren eine ganz andere kulturelle und religiöse Bedeutung als bei uns. «Jedes einzelne dieser Objekte ist Teil der Seele unseres Volkes», sagte Bruno Mvondo, Vertreter des Fang Bèti-Clans aus Kamerun, in Stuttgart.
Was verlangen die deutschen Museen von Kamerun?
Eigentlich nichts, betonen ihre Verantwortlichen der Museen und Länder immer wieder. Die Restitution sei nicht an Bedingungen geknüpft, sagte auch Museumsleiterin de Castro. «Wir verlieren nicht nur, auch wenn es mal weh tut, etwas abzugeben. Wir profitieren auch. Wir gewinnen extrem viel durch den Austausch.» De Castro und auch andere Experten äußerten beim Treffen in Stuttgart zudem die Hoffnung, dass viele Objekte in den deutschen Sammlungen bleiben können etwa als Dauerleihgabe, in Ausstellungen oder durch Übereinkünfte mit rechtmäßigen Besitzern. Das letzte Wort in der Debatte über Rückgaben haben aber Bund und Länder.
Die Bandbreite ist groß. Vasen und Skulpturen sind dabei, Masken und religiöse Symbole, Waffen und Schmuck. Der besonders sensible Umgang mit menschlichen Knochen und Skeletten, die oft als Kriegsbeute oder aus Grabplünderungen nach Deutschland kamen, spielt beim Kamerun-Dialog keine Rolle.
Welche Rolle spielte Kamerun in der deutschen Geschichte?
Kamerun war von 1884 bis 1919 eine deutsche Kolonie. In dieser Zeit wurden Objekte wie Musikinstrumente, Textilien, Waffen, Schmuck, Architekturelemente, Gebrauchsgegenstände, rituelle Statuen oder Masken ins Deutsche Reich gebracht. Verschiedene traditionelle Gemeinschaften in Kamerun fordern die Rückgabe ihres Kulturgutes und haben Gespräche mit einzelnen Museen begonnen.
Hat es bereits Rückgaben gegeben?
Ja, immer mal wieder wurden einzelne Gegenstände aus deutschen Sammlungen zurückgegeben. Für Aufsehen sorgte Ende 2022 vor allem die Rückgabe von wertvollen Benin-Bronzen und anderem Kulturgut aus deutschen Museen an Nigeria. Die Objekte, die neben Bronze auch aus Elfenbein und anderen Materialien gefertigt sind, stammen größtenteils aus britischen Plünderungen im Jahr 1897. Rückgaben gab es unter anderem auch an eine neuseeländische Maori-Delegation und an Vertreter aus Hawaii.
Warum gibt es Rückführungen?
Sie stehen im größeren Zusammenhang mit Rückgaben von Museumsstücken aus der Kolonialzeit. Museen wollen bei der Aufarbeitung des kolonialen Erbes ihren Beitrag zur Wiedergutmachung leisten. Denn die Stücke wurden in ehemaligen europäischen Kolonien erworben, deren Rahmenbedingungen durch das Herrschafts- und Machtgefälle zwischen Kolonialmacht und Einheimischen geprägt war. «Wir haben unser koloniales Erbe zu lange ignoriert», sagte Wissenschaftsministerin Olschowski. Deutschland sei bereit, weitere Objekte zurückzugeben.