Ein Jahr nach dem sensationellen Oscar-Erfolg des Antikriegsepos «Im Westen nichts Neues» – mit vier Trophäen – könnte der Siegeszug von deutschen Filmschaffenden in Hollywood in diesem März weitergehen. Am Dienstag wurden die Oscar-Nominierungen für die 96. Academy Awards verkündet – Deutschland hatte dabei wieder guten Grund zum Jubeln.
Schauspielerin Sandra Hüller (45) ist für das Justizdrama «Anatomie eines Falls» als beste Hauptdarstellerin nominiert, der deutsche Beitrag «Das Lehrerzimmer» von Ilker Catak (40) kann die Auszeichnung als bester internationaler Film gewinnen – der Berliner Regisseur trifft in dieser Kategorie auf «Perfect Days» des in Düsseldorf geborenen Regisseurs Wim Wenders (78), der für Japan ins Rennen geht.
«So ein bisschen das höchste der Gefühle»
Für die aus Thüringen stammende und in Leipzig lebende Hüller ist es mit Blick auf die Oscar-Geschichte ein historischer Schritt. Sie ist die erste deutsche Schauspielerin mit einer Nominierung als «Beste Hauptdarstellerin» seit den 1930er Jahren. Damals gewann die in Düsseldorf geborene und in Hollywood lebende Luise Rainer für ihre Rollen in «Der große Ziegfeld» (1937) und «Die gute Erde» (1938) zwei Oscars in Folge. Zuvor war nur Marlene Dietrich als Deutsche für den Film «Marokko» (1931) in dieser Sparte nominiert gewesen.
«Für mich ist das, was jetzt passiert ist, so ein bisschen das höchste der Gefühle», sagte die 45-Jährige am Dienstag der dpa, nachdem ihre Nominierung bekanntgegeben worden war.
In «Anatomie eines Falls» der französischen Regisseurin Justine Triet brilliert Hüller als erfolgreiche Schriftstellerin, die nach dem Tod ihres Mannes unter Mordverdacht gerät und sich vor Gericht verteidigen muss. Hüller trifft bei der Oscar-Verleihung am 10. März auf vier Mitstreiterinnen: Lily Gladstone («Killers of the Flower Moon»), Carey Mulligan («Maestro»), Annette Bening («Nyad») und Emma Stone («Poor Things»). Gladstone, ebenfalls zum ersten Mal nominiert, gilt als größte Konkurrentin. Sie wäre die erste indigene Hauptdarstellerin mit einem Oscar.
Der Oscar für Wenders ist längst fällig
Wim Wenders könnte mit 78 Jahren seinen ersten, längst überfälligen Oscar entgegennehmen. Er war bereits dreimal für einen Dokumentarfilm-Oscar nominiert, aber immer leer ausgegangen.
In dem poetischen Film «Perfect Days» erzählt er von einem Mann namens Hirayama (Koji Yakusho), der in Tokio als Toiletten-Reiniger arbeitet, mit seinem einfachen Leben zufrieden scheint und sehr im Moment lebt. «Es ist so eine große Ehre für mich, Japan bei den Oscars zu vertreten, das Land meines großen filmischen Meisters Yasujiro Ozu! „Perfect Days“ war von seinem Esprit getragen, also könnte ich nicht glücklicher sein über diese Nominierung», freute sich der Regisseur am Dienstag in einer Mitteilung.
Freude bei «Lehrerzimmer»-Regisseur Ilker Catak
Der in Berlin und in der Türkei aufgewachsene Regisseur Catak beleuchtet in dem Gesellschaftsdrama «Das Lehrerzimmer» einen Konflikt an einer Schule, der aus dem Ruder läuft. Im Zentrum steht eine junge Lehrerin (Leonie Benesch), die eine Diebstahlserie an ihrer Schule aufklären will. «Lehrer*in ist ein Beruf, bei dem man die Verantwortung für eine kommende Generation übernimmt. Die Frage ist: Werden die Erwachsenen von morgen Persönlichkeitsentwicklung und Fairness oder nur Notendruck und Gehorsam erlebt haben? Wir verneigen uns vor den Menschen, die diesen Beruf ergreifen und hoffen, dass diese Nominierung zu mehr Sichtbarkeit ihrer Arbeit beiträgt!», schrieben Catak und Produzent Ingo Fliess nach der Verkündung der Nominierungen in einer Mitteilung.
Neben Deutschland und Japan sind drei weitere Länder in der Sparte «International Feature Film» vertreten: Italien («Io Capitano»), Spanien («Die Schneegesellschaft») und Großbritannien («The Zone of Interest»).
«The Zone of Interest» von dem britischen Regisseur Jonathan Glazer handelt vom Leben des KZ-Kommandanten Rudolf Höß (Christian Friedel) und seiner Familie, die direkt am KZ Auschwitz ein großes Haus bewohnen. Sandra Hüller spielt darin Höß‘ Ehefrau Hedwig.
Beide Hüller-Filme – «The Zone of Interest» und «Anatomie eines Falls» – holten jeweils fünf Nominierungen, darunter auch in der Top-Sparte «Bester Film». Die Französin Justine Triet hat für «Anatomie eines Falls» zudem Chancen auf einen Regie-Oscar. Sie ist erst die neunte Frau überhaupt, die in dieser Sparte nominiert ist. Dort trifft sie auf den Hollywood-Veteranen Martin Scorsese («Killers of the Flower Moon»), Christopher Nolan («Oppenheimer»), den Griechen Giorgos Lanthimos («Poor Things») und den Briten Glazer («The Zone of Interest»).
«Oppenheimer» ist der große Favorit
Insgesamt führt das Atombomben-Drama «Oppenheimer» mit 13 Nominierungen das Rennen um den wichtigsten Filmpreis der Welt an. Die dreistündige Biografie über den «Vater der Atombombe» genannten Physiker Robert Oppenheimer wurde unter anderem als bester Film, für die beste Regie (Nolan) und den besten Hauptdarsteller (Cillian Murphy) nominiert.
Die zweitmeisten Nominierungen (11) erhielt die feministische «Frankenstein»-Adaption «Poor Things» – mit einer hervorragenden Emma Stone. Martin Scorseses Drama «Killers of the Flower Moon» kam auf zehn Nennungen, der Kassenhit «Barbie» erhielt acht, darunter zwei für die Songs «What Was I Made For?» von Billie Eilish und «I’m Just Ken», gesungen von Schauspieler Ryan Gosling. «Dance The Night» von Dua Lipa ging damit leer aus.