Als bei der Oscar-Verleihung vor zwei Jahren sein Name verkündet wurde, war Hans Zimmer schon im Bett. Der deutsche Filmkomponist («Fluch der Karibik», «Inception») hatte sich nach einem Konzert in Amsterdam auf sein Hotelzimmer zurückgezogen.
«Ich habe nicht gedacht, dass ich den Oscar kriegen würde», erzählt der 66-Jährige im Gespräch mit der Deutschen Presse-Agentur in London. «Ich habe zu meiner Frau gesagt: ‚Ich gehe jetzt schlafen.’»
Für die Musik zum Disney-Klassiker «Der König der Löwen» hatte er 1995 seinen ersten Academy Award erhalten. Das Science-Fiction-Epos «Dune» brachte ihm 2022 seinen zweiten Oscar ein. Eigentlich hatte er seinem PR-Team aufgetragen, ihn nicht anzurufen. Doch das Telefon klingelte trotzdem. «Meine Pressefrau hat gesagt: ‚Du hast gewonnen.‘ Und in diesem Moment sind meine Kinder reingekommen, aufs Bett gesprungen und haben mich rausgezogen.»
Bescheidener Teamplayer
Im Bademantel ging es zur Hotelbar, wo Band und Crew von der Tournee auf ihn warteten – «glücklicherweise schon sehr betrunken», berichtet er amüsiert. «Denen hat das nichts ausgemacht, ob wir gewonnen haben oder nicht, das war einfach eine Gelegenheit zur Party.» Wenn er vom Oscar-Gewinn spricht, sagt er nicht «ich», sondern «wir».
Das ist typisch für den gefragten Hollywood-Musiker, der als Teamplayer gilt, stets bescheiden wirkt und auf seine Kollegen verweist. So wie in seiner Ansprache im Hotel, die in sozialen Medien veröffentlicht wurde. «Wenn es euch und die meisten Leute in diesem Raum nicht gäbe, dann wäre das nie passiert.»
Für «Dune: Part Two» (deutscher Kinostart: 29. Februar) hat Hans Zimmer erneut die Filmmusik komponiert. «Als wir den ersten Film fertig hatten, habe ich einfach immer weitergeschrieben», erzählt er voller Euphorie. Mit unkonventionellen Rhythmen und dramatischen Gesängen hat er eine spektakuläre, fremdartige und futuristische Klangkulisse geschaffen, die jede Szene in dem bildgewaltigen Epos noch größer wirken lässt.
Herzensangelegenheit «Dune»
Mit Regisseur Denis Villeneuve arbeitete er erstmals bei «Blade Runner 2049» zusammen. Die Leidenschaft für «Dune» verbindet die Männer, die gut befreundet sind. Beide hätten das Buch in ihrer Jugend gelesen und geliebt, im Herzen seien sie immer noch Teenager. «Wir hatten nur den Vorteil, dass wir schon ein paar Mal auf die Nase gefallen sind, ein paar Filme gemacht haben und wissen, wie man so was macht», sagt er mit einem Lachen. Nun habe man die entsprechende Technik, um den Stoff angemessen zu verfilmen. David Lynchs «Dune» von 1984 hat er nach eigener Aussage nie gesehen.
Der gebürtige Frankfurter spricht mit englischem Akzent, aber fließend. «Mein Deutsch ist natürlich nicht mehr so gut», sagt er etwas verlegen. «Ich bin mit 13 oder 14 nach England gekommen. Und um wirklich Englisch zu lernen, musste ich aufhören, auf Deutsch zu denken.» In London nahm seine Musikerkarriere ihren Anfang.
«Rain Man» machte ihn in Hollywood bekannt
Er spielte Keyboards und Synthesizer in einer Band und arbeitete mit den Buggles. Im Musikvideo von «Video Killed The Radiostar» ist er sogar ganz kurz zu sehen. Über Werbejingles kam er zur Filmmusik. Stephen Frears «Mein wunderbarer Waschsalon» war eines seiner frühen Projekte. Der große Durchbruch in Hollywood gelang ihm, als ihn Barry Levinson 1988 für das Drama «Rain Man» engagierte. Für seine Filmmusik erhielt Hans Zimmer seine erste Oscar-Nominierung. Die Titelmelodie spielt er auch heute noch bei seinen spektakulären Konzerten.
An Angeboten mangelt es nie. Neben «Dune» zählen «James Bond – Keine Zeit zu sterben» und «Top Gun: Maverick» zu seinen bekanntesten Projekten der letzten Jahre. Demnächst folgt «Kung Fu Panda 4». Zimmer komponierte die Musik für die BBC-Dokuserie «Planet Earth III» und wirkt zudem immer wieder bei kleineren, unabhängigen Produktionen mit. «Das Neue ist immer interessant – und auch mit neuen Leuten zu arbeiten und die Möglichkeit zu haben, etwas auszuprobieren.»
Für neue Ideen braucht er heute länger
Gibt es auch mal einen Tag, an dem der Hollywood-Spezialist eine Blockade hat? «Wochen!», sagt Zimmer. «Es wird immer schwieriger, weil ich schon so viele Filme gemacht habe. Und es dauert immer länger, bis man irgendwie eine Idee hat, die funktioniert. Aber trotzdem – ich werde nie den Job wechseln.»
In fast jedem Satz von Hans Zimmer schwingt seine Begeisterung mit. «Es macht mir so eine Freude, Musik zu spielen oder zu erfinden», schwärmt er. «Und das macht dann auch so eine Freude, wenn die ganzen Musiker reinkommen und wir spielen. Irgendjemand spielt dann eine verkehrte Note und das ist eine ganz interessante Note. Und irgendwie leitet das uns in eine ganz neue Richtung und jeder macht mit.»
Als Musiker gehe es nicht nur darum, wie gut man spielt, sagt Hans Zimmer, sondern wie gut man zuhört. «Das kann auch ein bisschen prätentiös sein, was ich sage, aber ich habe so das Gefühl, dass das gar nicht so schlecht wäre, wenn die Welt ein bisschen lernen würde, wie Musiker einfach einander zuzuhören.»