Kermani im Alltag: «Noch so ein Mini-Trump!»
Der Schriftsteller Navid Kermani kritisiert die Verwahrlosung seiner Heimatstadt Köln (Archivbild). (Urheber/Quelle/Verbreiter: Thomas Banneyer/dpa)

Der Schriftsteller und Orientalist Navid Kermani hat den Eindruck, im Alltag vielen «Mini-Trumps» zu begegnen. So beobachte er in seinem Wohnviertel Eigelstein in der Kölner Innenstadt immer wieder Männer, die einfach irgendwo hinpinkelten, selbst wenn Kinder, Frauen, Passanten in der Nähe seien. «Es ist ihnen – Verzeihung! – scheißegal», sagte der 57-Jährige dem «Kölner Stadt-Anzeiger». «Und wenn man sie darauf hinweist, dass das widerlich ist, wird man auch noch beschimpft. Ich denke dann jedes Mal: Noch so ein Mini-Trump!»

Oft handele es sich um ganz normale Männer im Geschäftsanzug. «Verwahrlosung ist offenkundig kein exklusives Problem der sogenannten Unterschicht oder einer fremden Kultur.» Ebenso rücksichtslos sei es, E-Roller einfach quer auf dem Bürgersteig abzustellen. «Wieso macht man so etwas?» Oder dass jeder immer und überall glaube, saufen zu müssen. «Und wenn er gesoffen hat, sich eben zu erbrechen, was etwa in unserem Hauseingang inzwischen nicht mehr nur im Karneval geschieht.»

Die tiefere Ursache dafür sieht der Friedenspreisträger auch in einem überbetonten Individualismus: «Ein Mann wie Donald Trump ist einerseits Rollenmodell, andererseits aber auch Verkörperung von Verhaltensweisen und Antrieben, die sich in der Gesellschaft insgesamt ausbreiten.»