Auf dem Markusplatz in Venedig ist nichts los. Der Touristen-Hotspot gilt als Barometer für den Besucher-Ansturm auf die italienische Lagunenstadt. Eigentlich müsste Venedigs historisches Zentrum schon voll mit Touris sein, doch die Corona-Pandemie hat ihren düsteren Schatten über das Unesco-Weltkulturerbe gelegt.
Es fühle sich unwirklich an, sagt Marco Gasparinetti. Er ist Teil einer Bewegung für die Rechte von Bürgern in Venedig. «Die lauten Geräusche der Hauptverkehrszeit haben sich in entspannte Töne wie in der Morgendämmerung verwandelt», beschreibt er das Flair.
Während sich einige Venezianer über die Pause vom Massentourismus freuen, sorgen sich viele Unternehmer, Gondolieri und Selbstständige um ihre Zukunft. Vor der Pandemie reisten jedes Jahr Millionen von Menschen nach Venedig, um die weltberühmte Altstadt mit der Rialtobrücke, dem Markusplatz und den malerischen Kanälen zu sehen. Knapp 13 Millionen Übernachtungen zählte die Stadt nach eigenen Angaben im Jahr 2019, also vor der Pandemie. Anfang März 2021 waren demnach an einem Sonntag rund 25 000 Touristen dort – eine Zahl, unvergleichbar mit einem normalen Sonntag im Frühling.
Vor allem Kreuzfahrtschiffe brachten Massen an Reisenden in die Lagunen-Stadt, was vielen Venezianern zu viel wurde. «Venedig ist nicht gemacht für so hohe Besucherzahlen, so große Events und so große Schiffe», meint Gasparinetti. Gegen die Kreuzfahrtschiffe formierte sich vor einigen Jahren Widerstand, etwa mit der Gruppe No Grandi Navi (keine großen Schiffe). Sie kritisieren die Fluten an Touristen und die Umweltverschmutzung, die die Pötte mit sich bringen. Ihre Forderungen: Die Einfahrt in die Lagune für Kreuzfahrer ab einer bestimmten Größe verbieten und analysieren, wie viel Kreuzfahrt-Tourismus Stadt und Umwelt vertragen.
Am Donnerstagabend teilten unter anderem das Infrastruktur- und das Tourismus-Ministerium Italiens mit, dass große Schiffe künftig übergangsweise in einem Industriehafen Venedigs anlegen sollen. So solle ein historisches und kulturelles Erbe nicht nur Italiens, sondern der ganzen Welt geschützt werden. Außerdem solle mit einem Ideenwettbewerb das Problem der Durchfahrt von großen Schiffen in Venedig strukturell und endgültig gelöst werden.
Die coronabedingte Ruhe vor dem Besucheransturm lässt viele Venezianer ihre Stadt wieder genießen, schadet jedoch der auf Tourismus getrimmten Wirtschaft. Hotels sind nur noch «bei Bedarf» geöffnet, heißt es vom Hotelverband Venedigs. Im vergangenen Jahr brach ihr Umsatz im Vergleich zu 2019 um 85 Prozent ein. Die Hoteliers seien bereit für eine coronasichere Wiedereröffnung. Im Mai könnten zur Bootsausstellung und zur Architektur-Biennale wieder Touristen kommen, hofft der Verband.
Italiens Regierung sagte Hilfsgelder für die Unternehmen zu. Die seien aber nicht ausreichend, kritisiert der Chef des berühmten Kaffeehauses «Caffè Florian» am Markusplatz, Marco Paolini. Seine Umsatz-Einbußen im vergangenen Jahr beliefen sich auf mehr als sechs Millionen Euro, vom Staat kamen 120 000 Euro an Unterstützung. Venedig brauche die Touristen. Im Zentrum lebten ohnehin nur wenige Zehntausend Menschen. So wie jetzt könne niemand überleben, sagte der Chef des Cafés, das auf 300 Jahre Tradition zurückblickt.
Venedig will sich jetzt schon für die kommenden Touristenströme wappnen. Zusammen mit Florenz wollen die beiden Vorzeige-Kunststädte Italiens ihren Tourismus und Nahverkehr nachhaltiger machen und zum Beispiel online vermietete Ferienwohnungen stärker kontrollieren. Marco Gasparinetti wünscht sich dagegen, dass Venedig wieder mehr Einwohner gewinnt und neue Arbeitsmöglichkeiten entstehen. Mit den am Donnerstag gestarteten Feierlichkeiten zur Stadtgründung vor 1600 Jahren will Venedig das ganze Jahr Touristen anziehen – «auch die Deutschen», sagt der Kulturreferent Venedigs, Simone Venturini.